Erfahrungen teilen

ARTISET Das Magazin der Dienstleister für Menschen mit Unterstützungsbedarf Ausgabe 12 I 2022 Im Fokus Erfahrungen teilen In Pflegeinstitutionen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermöglichen Selbstständiges Wohnen von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung Wie Roger Wicki den holprigen Weg vom Heimkind zum Pflegeheimleiter meisterte

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ARTISET 12 I 2022 3 Editorial «Verstanden fühlen wir uns besonders von Menschen, die in einer ähnlichen Lebenssituation sind und ähnliche Erfahrungen machen wie wir.» Elisabeth Seifert, Chefredaktorin Liebe Leserin, lieber Leser Wahrscheinlich kennen auch Sie dieses Gefühl von Zufriedenheit und Sicherheit, wenn wir mit Menschen zusammen sind, von denen wir uns verstanden fühlen. Verstanden fühlen wir uns dabei besonders von jenen Menschen, die in einer ähnlichen Lebenssituation sind wie wir und ähnliche Erfahrungen machen. Ihnen gegenüber öffnen wir uns, teilen mit ihnen unsere Sorgen und Probleme, aber auch unsere Hoffnungen. Indem wir unsere Erfahrungen austauschen, lernen wir vieles besser verstehen, gewinnen Zuversicht und Mut und erhalten auch den einen oder anderen wertvollen Tipp. Während wir alle auf solche Beziehungen angewiesen sind, trifft dies erst recht auf Menschen in besonders herausfordernden Lebenssituationen zu. Auf Menschen etwa, die aufgrund psychischer Probleme schwierige Erfahrungen machen. Oder auch auf Menschen mit Beeinträchtigungen unterschiedlicher Art, die auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Leben viele Hindernisse überwinden müssen. Ähnliches gilt für Careleaverinnen und Careleaver, die sich die Integration in die Gesellschaft aufgrund fehlender Unterstützung hart erkämpfen müssen. Und ältere, betagte Menschen verlieren oft ihre langjährigen, vertrauten Beziehungen und damit ihre soziale Integration. Die Beiträge in unserem Fokus zeigen, welche Bedeutung Beziehungen unter «Peers» haben können, womit zunächst einfach «Gleichgesinnte» oder «Gleichbetroffene» gemeint sind. Sichtbar wird die Bedeutung zunächst im Erfolg der Selbsthilfebewegung, den Lukas Zemp, Geschäftsführer der Stiftung Selbsthilfe Schweiz, imGespräch mit demMagazin Artiset erörtert (Seite 13). Entstanden in den 1980er-Jahren, existieren heute rund 2800 lokale Selbsthilfegruppen zu rund 300Themen. Unsere Berichte über eine Radiosendung in Bern, bei der psychiatrieerfahrene Männer und Frauen mitwirken, sowie über ein Senioren-Netzwerk in der Westschweiz verdeutlichen die integrierende Funktion von Selbsthilfegruppen und ähnlicher Arrangements (Seiten 10 und 17). Zunehmend an Bedeutung im Sozial- und Gesundheitsbereich gewinnen «Peers» im Sinne von «Expertinnen und Experten aus Erfahrung», die zusätzlich eine spezifische Ausbildung durchlaufen, umMenschen in ähnlichen Lebenssituationen zu unterstützen, aber auch Fachpersonen zu beraten. Lesen Sie dazu unsere Porträts von Salome Balasso, die eine Weiterbildung für Menschen in Krisenerfahrungen absolviert hat, und von Dylan Yenni, der sich im Rahmen eines Westschweizer Pilotprojekts zum Inklusionsbegleiter ausbilden liess (Seiten 6 und 24). Auch Institutionen, gerade im Bereich von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, arbeiten vermehrt mit qualifizierten Peers, wie unsere Reportage aus dem «Schlossgarten Riggisberg» illustriert (Seite 20). Ähnlich funktioniert das «Götti-/Gotte-Programm» des Careleaver Netzwerks Region Basel (Seite 28). «Ohne Gael hätte ich nicht eine solch grosse Motivation, etwas aus mir zu machen. Obwohl auch er einen schwierigen Start hatte, machte er etwas Grosses daraus», sagt Angela über ihren «Götti». Sie bringt damit eindrücklich auf den Punkt, was die Peer-Beziehung bewirken kann. Titelbild: Pedro Codes, ein Peer mit Psychiatrieerfahrung, und eine Bewohnerin des «Schlossgarten Riggisberg» im Park der Institution. Foto: Marco Zanoni

Kompetenz und Sortiment Hand in Hand. Transgourmet verstärkt ihre Kompetenz im Bereich Care. Individuelle Lösungen für Sie Um besser auf Ihre Bedürfnisse eingehen zu können, hat Transgourmet nicht nur ihr Care-Sortiment vergrössert, sondern auch ihr Kompetenzteam aufgestockt. Es wurde mit neuen praxisorientierten Spezialisten ergänzt, die sich in der Care-Gastronomie auskennen und individuelle Lösungen für Sie ausarbeiten. Neu steht Ihnen unter care@transgourmet.ch immer eine kompetente Ansprechperson zur Verfügung. Ihre Vorteile Einer Ihrer Vorteile bei Transgourmet ist, dass Ihnen neben den speziellen Artikeln für die Care-Hotellerie auch ein riesiges Vollsortiment mit über 25 000 Artikeln aus Food, Getränken, Non- Food, Near-Food und Frischprodukten zur Verfügung steht. Wenn Sie sich über die Care-Spezialsortimente informieren wollen, gelangen Sie über transgourmet.ch/care-shop direkt zu den entsprechenden Artikeln. Kau- und Schluckbeschwerden Um den Arbeitsalltag in Heimen und Spitälern zu vereinfachen, werden Convenience-Produkte angeboten, die eigens für Menschen mit Dysphagie entwickelt wurden. Auch wenn Sie pürierte Speisen selber herstellen wollen, finden Sie hier die passenden Produkte. Lebensmittel für Senioren Unter diesem Sammelbegriff hat Transgourmet eine Auswahl an Artikeln zusammengestellt, die aufgrund Ihrer Grösse oder Zusammensetzung auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sind. Bei Fleischwaren handelt es sich um extra kleine Portionen, beim Fisch um Produkte ohne Gräten. Alles aus einer Hand – eine Bestellung, eine Lieferung, eine Rechnung. PUBLIREPORTAGE Transgourmet Schweiz AG Lochackerweg 5 | 3302 Moosseeedorf | transgourmet.ch/care mit Anbindung an Ihr Digitalisieren Sie Ihren Betrieb mit der motica App Die beste App für die Langzeitpflege. Besuchen Sie uns

Impressum: Redaktion: Elisabeth Seifert (esf), Chefredaktorin; Urs Tremp (ut); Claudia Weiss (cw); Anne-MarieNicole (amn); FranceSanti (fsa); JennyNerlich (jne) • Korrektorat: Beat Zaugg • Herausgeber: ARTISET • 1. Jahrgang • Adresse: ARTISET, Zieglerstrasse 53, 3007 Bern • Telefon: 031 385 33 33, E-Mail: info@artiset.ch, artiset.ch/ Magazin • Geschäfts-/Stelleninserate: Zürichsee Werbe AG, Fachmedien, Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa, Telefon: 044 928 56 53, E-Mail: markus.haas@fachmedien.ch • Vorstufe und Druck: AST&FISCHER AG, Seftigenstrasse 310, 3084 Wabern, Telefon: 031 963 1111 • Abonnemente: ARTISET, Telefon: 031 385 33 33, EMail: info@artiset.ch • Jahresabonnement Fr. 125.– • Erscheinungsweise: 8×deutsch (je 4600 Ex.), 4× französisch (je 1400 Ex.) pro Jahr • WEMF/KS-Beglaubigung 2022 (nur deutsch): 3205 Ex. (davon verkauft 2989 Ex.), Nachdruck, auch auszugsweise, nur nachAbsprache mit der Redaktion und mit vollständiger Quellenangabe. Inhalt ARTISET 12 I 2022 5 Im Fokus 6 Salome Balasso: Die Expertin aus eigener Erfahrung 10 Loco-motivo: Die spezielle Radiosendung 13 Selbsthilfe wirkt – auf der individuellen und auf der gesellschaftlichen Ebene 17 Wie sich in der Westschweiz ältere Menschen vernetzen 20 Im Schlossgarten Riggisberg sind Peers mit Psychiatrieerfahrung fest angestellt 24 Der Peer Dylan Yenni ist ausgebildeter Inklusionsbegleiter 28 Tipps von Careleaver zu Careleaver kurz & knapp 32 Trendumfrage Pf legeheime Aktuell 34 Vereinbarkeit: Wie man Berufs- und Privatleben unter einen Hut bringt 38 Digitalisierung: Ein Wohnprojekt mit Zukunftspotenzial 41 Behinderung: Die Aufgaben der Neuenburger Inklusionsbeauftragten 44 Roger Wicki: Vom Heimkind zum Heimleiter 48 Socialstore Awards: Die Ausgezeichneten 50 Wohnen: Selbstständig auch mit psychischer Beeinträchtigung Politische Feder 54 Sarah Wyss, SP-Nationalrätin Basel-Stadt Socialstore Awards Schauen Sie zu, wie die fünf Goldgewinner-Produkte entstehen. 17 34 54

6 ARTISET 12 I 2022 Expertin aus Erfahrung Salome Balasso hilft als Peer mit ihrem persönlichen Psychiatrie-Erfahrungswissen anderen Betroffenen und berät Psychiatriepflegefachleute. Foto: Marco Zanoni Im Fokus

ARTISET 12 I 2022 7 Salome Balasso ist eine attraktive junge Frau, die rote Handtasche keck auf die rote Hose abgestimmt, die blaugrünen Augen dezent geschminkt. Erst beim genaueren Hinsehen zeigt sich die leise Trauer in ihrem Blick, und als sie den marineblauen Kurzmantel auszieht und sich im kurzärmligen T-Shirt an den Tisch hinter der grossen Panoramascheibe setzt, werden die vielen feinen Narben auf ihren Armen sichtbar. Sie stammen aus ihrer Jugendzeit, als Verzweiflung und innerer Druck oft so gross waren, dass sie ihnen nur mit Selbstverletzen abhelfen konnte. Die 33-jährige Bernerin ist psychiatrieerfahren, ihre Diagnosen lauten «Borderline Persönlichkeitsstörung» und «Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung». Sie ist aber auch seit sieben Jahren eine «qualifizierte Peer»: eine Expertin aus Erfahrung in Psychiatrie mit einer «Ex-In»-Weiterbildung (siehe Kasten). In ihrer Peerausbildung hat Salome Balasso viel Wichtiges über sich gelernt und war davon so begeistert, dass sie seither noch etliche Zusatzausbildungen, unter anderem in Dialektisch Behavioraler Körpertherapie und Recovery, besucht hat. Mit all demWissen hat Salome Balasso auch viel Sicherheit gewonnen. Inzwischen ist sie eine versierte Fachfrau für Themen wie Spannungs- und Emotionsregulation, Umgang mit Dissoziationen und Traumata, Angehörige von Menschen mit Depression, Bipolar, Sucht und Kinder psychisch belastender Eltern. Ihr grosses Plus: Sie weiss nicht nur aus der Theorie, wovon sie redet, sondern aus persönlichem Erleben. Und sie hat in zahlreichen Therapien, Psychiatrieaufenthalten und Selbsthilfegruppen gelernt, mit ihren Erschütterungen umzugehen. Dadurch haben sich ihre Belastungen nach vielen Jahren in wertvolle Erfahrung gewandelt und ihr die Fähigkeit verliehen, anderen Betroffenen ganz persönliche Tipps im Umgang mit psychischen Erschütterungen mitzugeben. Aber die Kindheit mit zwei psychisch belasteten Elternteilen hat bleibende Spuren hinterlassen. Ihr Vater kämpfte mit Depressionen, die Mutter mit Zwängen und Ängsten und vielleicht einer Borderlinestörung. Unsicherheit prägte den Alltag der Familie. «Meine Kindheit war teils sehr schön», betont sie. «Meine Eltern versuchten, ihr Bestes zu tun und mir und meinem Bruder Liebe zu geben.» Aber oft ging das Schöne im Alltag unter. Als die achtjährige Salome aus einem Ferienlager zurückkehrte, erfuhr sie, dass ihre Mutter in der Klinik war und sie und ihr zwei Jahre älterer Bruder für ein paar Monate in einem Kinderheim wohnen mussten. «Das war der Anfang meiner Verlustängste», erinnert sie sich. Die Furcht, ihr Vater könnte sich vor lauter Kummer vom Balkon stürzen, wie er regelmässig drohte, löste aus, dass sie sich künftig nur noch schlecht abgrenzen konnte. Als ihre Gotte in eine Sekte eintrat, verlor sie eine wichtige Bezugsperson und hatte das Gefühl, sie müsse das Los der ganzen Familie auf ihren Schultern tragen. «Ein klarer Fall von Parentifizierung.» Das Psychiatriekarussell begann zu drehen Salome wurde immer stiller, ihr Bruder immer aufmüpfiger. Er kam an eine andere, weiter entfernte Schule und nahm nicht mehr am Familienleben teil, sodass sie sich noch einsamer fühlte. «Damals fing ich mit dem Selbstverletzen an», sagt sie. Nach einem Suizidversuch mit einer Medikamentenüberdosis – «es war eher ein Hilferuf» – landete sie mit 15 Jahren in der Jugendpsychiatrie, wo das Karussell zu drehen begann. Der Kontakt zu schwerst psychisch erschütterten älteren Jugendlichen, die kifften und Alkohol konsumierten, wirkte eher verstörend als hilfreich. So folgten Salome Balasso ist psychiatrieerfahren. Sie ist aber auch eine qualifizierte Peer, Expertin aus eigenem Erleben mit Weiterbildung: Sie weiss besser als die meisten Fachleute, wie sich der freie Fall anfühlt, und kann psychisch erschütterten Menschen hilfreiche persönliche Tipps anbieten. Und den Fachpersonen erklären, was Betroffenen hilft und was weniger. Von Claudia Weiss

8 ARTISET 12 I 2022 Monate im betreutenWohnen, ein Rauswurf, ein Aufenthalt im Krisenzentrum, ein stationärer Aufenthalt in der Universitären Psychiatrischen Dienste UPD Bern, wieder betreutes Wohnen, Salome Balasso hat den Überblick über all die wechselnden Stationen verloren. Ein Monat Timeout mit dem «Projekt Alp» auf einem abgelegenen Bauernhof und danach die Aufnahme auf dem Bauernhof einer festen Gastfamilie brachten der 16-Jährigen erstmals ein bisschen Stabilität: «Die drei Töchter waren für mich wie jüngere Schwestern», erzählt sie mit einem Lächeln. Eine gute Zeit sei das gewesen, die Familie ihr nah. Deshalb mochte sie sich selbst diesen Menschen nicht mehr länger zumuten, als es schwieriger wurde, und zog mit 18 Jahren wieder aus. Aus der Psychiatrie, in die Psychiatrie… Bald darauf öffnete sich für sie die «Drehtür» zur Psychiatrie wieder. Und wieder. Bis sie mit 19 Jahren zwei wichtige Wendepunkte erlebte: Zum einen erhielt sie die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS), «zugleich eine Erleichterung als auch ein Stempel». Zum anderen lernte sie in der Klinik ihren sechs Jahre älteren Freund Christian Heiniger kennen, er mit den Diagnosen Bipolare Störung und Alkoholabhängigkeit. Seit drei Jahren trinkt er keinen Alkohol mehr, und seit sechs Jahren arbeitet er als Peer. Salome Balassos Augen leuchten, wenn sie von ihm spricht. «Alle sagten, das könne niemals gut gehen, die Fachleute in der Klinik waren strikt gegen unsere Beziehung», erzählt sie. Sie hätten jedoch komplett falsch gelegen: «Das ist jetzt 14 Jahre her, und wir leben immer noch zusammen.» Und das, nachdem sie sich in der Klinik als völlig hoffnungsloser Fall gefühlt hatte und eine gestützte Verkaufslehre abbrechen musste. Wichtige Impulse hat sie in der Selbsthilfegruppe bei Momo Christen erhalten, die in ihrem Buch «Sprung ins Leben. Meine Geschichte» ihre persönlichen schwierigen Erfahrungen beschrieben hat. «Diese Stunden haben mir enorm geholfen», sagt Salome Balasso. «Momo vermittelte mir das Gefühl, ich könnte es wieder aus der Psychiatrie schaffen.» Tatsächlich haben Selbsthilfegruppe, Peer-Weiterbildung und die vielen anderen Weiterbildungen aus dem haltlosenTeenager eine starke junge Frau gemacht, die weiss, wie sie in Momenten der Anspannung sich selbst und anderen Betroffenen helfen kann. Sie schreibt auf ihrem Instagram-Kanal «salome_skillskiste» als Mental-Health-­ Aktivistin über Themen, die sonst tabuisiert werden. «Damit möchte ich besonders junge Menschen ansprechen.» Sorgfältig hebt sie ihren selbstgeflochtenen Skills-Korb aus der Tasche, legt einen Gegenstand nach dem anderen auf denTisch: Spiralgummi, Duftsticks mit Pfefferminz und Ammoniak und ein Töpfchen mit scharf riechendem Tigerbalsam. «Mein Mini-Skills-Koffer», erklärt sie, und nimmt eine kleine stachlige Metallkugel in die Finger, ihr Lieblingsstück. Rasch dreht sie diese zwischen den Händen hin und her, das erzeugt auf den Fingern einen starken Reiz, der Anspannung löst. Diese Gegenstände sind wichtige Hilfsmittel, ihre Skills, die sie laufend ergänzt und in ihren Kursen auch verkauft. Sie helfen, wenn jemand das Bedürfnis hat, sich selbst zu verletzen, wie sie während langen Jahren. Heute steht sie unverkrampft dazu und versteckt ihre Narben nicht, «sie gehören zu mir und meiner Geschichte». Einblicke für Fachleute Und mit dieser Geschichte, ihrer ganzen Erfahrung, gibt Salome Balasso auch Fachleuten wichtige Einblicke. Sie kann beispielsweise erklären, dass es wenig hilft, Druck zu machen, wenn jemand sich in der Psychiatrie trotz gegenteiliger Abmachung selbst verletzt oder Medikamente missbraucht hat: «Man fühlt sich eh schon schlecht genug und als Versagerin. Da hilft positive Unterstützung viel besser als Druck – eine aufmunternde Bemerkung beispielsweise, dass man es ja immerhin schon zwei Monate geschafft hat, ohne sich zu schneiden.» Sie kann den Psychiatriepflegefachpersonen aber auch Druck nehmen, indem sie ihnen erklärt, dass sie nicht vor lauter Angst, etwas zu triggern, Fragen oder bestimmte Gesprächsthemen vermeiden sollen: «Bei einer Traumafolgestörung kann alles ein Trigger sein, auch wenn es für Aussenstehende noch so klein scheint. Selbst ein vorbeifliegender Vogel.» Salome Balasso hat in solchen Momenten gelernt, sich selbst zu helfen, sie entspannt sich mit Meditation und Achtsamkeitsübungen und tankt Kraft in der Partnerschaft und beim Kuscheln mit der Katze. Ammeisten Energie verleihen ihr jedoch Aussagen wie die einer Patientin, die ihr kürzlich nach der Emotionsregulationsgruppe in der UPD Bern sagte: «Weisst du, jeden Freitag sehe ich an deinem Beispiel, dass es noch ein Leben nach der Klinik gibt.» Oder das Lob einer Psychiatrie-Pflegefachfrau, die ihr sagte: «Dank euch Peers habe ich gelernt, anders zu denken und nicht nur <Drehtürpatienten> zu sehen, die immer wieder in die Psychiatrie zurückkehren, sondern Menschen mit Ressourcen.» Solche Aussagen helfen ihr, wenn es mal wieder schwieriger wird. Sie weiss inzwischen: «Rückfälle dürfen sein, Recovery dauert ein Leben lang.» PEERAUSBILDUNG EX-IN Seit 2010 bietet der Verein Ex-In Schweiz Menschen mit Krisenerfahrung eine Weiterbildung zum oder zur Peer. Diese dauert ein Jahr und beinhaltet zwölf dreitägige Module mit 300 Stunden Selbststudium und 190 Stunden Praktika. Wichtige Elemente sind Recovery und Empowerment: Selbstbestimmung, Sinnfindung und Verwirklichung. Die Peer-Weiterbildung ist bis Herbst 2024 ausgebucht. ➞ www.ex-in-schweiz.ch ➞ positiveraendere.ch Im Fokus

Kommunikation führt zum Erfolg RedLine Software GmbH · Rosenbergstrasse 42a · CH - 9000 St. Gallen Telefon +41 71 220 35 41 · info@redline-software.ch · redline-software.ch Mit RedLine haben wir eine Software realisiert, welche die professionelle Betreuungsarbeit in stationären Institutionen sicher und praxisnah unterstützt. Der direkte Austausch mit unseren Kundinnen und Kunden inspiriert uns, RedLine konsequent weiterzuentwickeln. Damit wollen wir unseren Beitrag leisten zur gelingenden Zusammenarbeit in den einzelnen Teams und in der gesamten Institution. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf. Teilen Sie uns mit, was Ihnen bezüglich Zusammenarbeit und Kommunikation wichtig ist, und wie wir Sie dabei mit RedLine unterstützen können. Beat Binotto · BrigitteBrunner · YvesGuntersweiler Karin Immler · Armin Inauen · Franz Niederer Stefan Ribler · Stefan Ruch · Daniel Suter · Timo Wetzel Software für Ihre Institution

10 ARTISET 12 I 2022 Radio – verrückt und motivierend Adrian am Mischpult, Sacha am Mikrofon: Die psychiatrieerfahrenen Redaktionsmitglieder von Radio Loco-motivo wirken professionell, als sie Anfang November die Sendung «Alles gelogen» aufnehmen. Unisono sagen sie: «Es ist toll, eine Sendung zu produzieren und etwas zu bewirken.» Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, was es mit dieser Radiosendung auf sich hat. Von Claudia Weiss Im Fokus «Radio Loco» In Argentinien und Chile ist «Radio Loco» seit den 1990er-Jahren auf Sendung: Männer und Frauen mit Psychiatrieerfahrung gestalten Radiobeiträge für andere Betroffene und senden direkt aus der Klinik. Der Name der Berner Variante «Loco-motivo» ist zusammengesetzt aus den spanischen Worten «loco», im liebevollen Sinn verrückt, und «motivo», Antrieb. Das Redaktionsteam besteht zwar nicht aus professionell ausgebildeten Peers, aber sie alle sind psychiatrieerfahrene Männer und Frauen, die ihre Erfahrung mit anderen Betroffenen teilen und die Öffentlichkeit sensibilisieren – also eben doch auch Peers. El Loco-Motivator Gianni Python, Psychiatriefachmann und Gesundheitspfleger, wanderte nach Chile aus und entdeckte 2009 «Radio Loco» bei einem Praktikum im chilenischen Valparaiso. Dass die Idee via Python den Weg in die Schweiz gefunden hat, ist ein Glück. Angefangen hat das Ganze mit einem Unglück: Das Herz des Auswanderers machte nicht mit, er musste 2011 in die Schweiz zurückkehren. Sofort war für ihn klar, dass es in der Schweiz auch ein Radio für Menschen in einer psychischen Krise geben müsste. Er suchte Sponsoren sowie ein Redaktionsteam und startete vor zwölf Jahren Radio Loco-motivo. Als Python 2015 ein neues Herz erhielt, war Radio Loco-motivo bereits vomHerzensprojekt zum festen Programm geworden.

ARTISET 12 I 2022 11 ➞ La Transmisiòn ➞ www.rabe.ch/ radio-loco-motivo/ El Programa Die Mitglieder des Redaktionsteams, gegenwärtig zwei Frauen und acht Männer, nehmen in der Sendung einen Rollentausch vor und werden zu Interviewern, manchmal auch im «Trialoco», einem live ausgestrahlten Trialog zwischen Betroffenen und Fachpersonen. Sie vermittelnWissen über Krankheitsbilder und diskutieren auch Tabuthemen wie «Offene oder geschlossene Abteilungen in der Psychiatrie» oder «Zwangsmedikation». Dadurch erleben sie Selbstbestimmung, Inklusion und eine Fokusverschiebung, sie unterstützen andere Betroffen und gelangen mit ihren Themen an die Öffentlichkeit. «Das vermittelt uns das Gefühl, etwas zu bewirken, und macht ganz einfach Freude», sagen Sacha und Adrian, das Team der «Alles gelogen»-Sendung. Loco-Motivissimo 2015 hat Radio Loco-motivo gleich zwei Preise gewonnen: Den «Prix Printemps für Menschen mit Behinderungen» und den «Prix Perspectives», den Förderpreis für Engagement in den Bereichen Schizophrenie und bipolare Störungen. Den Jingle und den Loco-motivo-Song hat die Berner Band Colibri eigens für diese Sendung geschrieben. Los Factores Den Sendeplatz für Radio Loco-motivo bietet das Berner Gemeinschaftsradio Rabe, das auch Minderheiten eine Plattform bietet und allen Menschen auf Augenhöhe begegnet. Das technische Wissen erhielten die Redaktorinnen und Redaktoren in einem dreitägigen Grundkurs bei der Radioschule Klipp+Klang. Dort besuchen sie regelmässig massgeschneiderte Weiterbildungskurse, beispielsweise zu «Sprechen am Mikrofon» oder «Beitragsgestaltung mit O-Tönen». Die Interessengemeinschaft Sozialpsychiatrie Bern sichert und finanziert die professionelle Begleitung: Das Redaktionsteam wird unterstützt von einem Koordinatorinnenteam, bestehend aus Psychiatriefachmann Gianni Python und einer Radiojournalistin; bis Ende Jahr ist das Heidi Kronenberg, ab Januar übernimmt Rabe-Frau Wilma Rall. Sie achten darauf, dass die Arbeitsbedingungen für die Menschen mit Psychiatrieerfahrung stimmen.

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ARTISET 12 I 2022 13 Der Austausch unter Menschen in ähnlichen Situationen wirkt sich auf der individuellen und der gesellschaftlichen Ebene positiv aus. Lukas Zemp, Geschäftsführer der Stiftung Selbsthilfe Schweiz*, setzt sich für eine gesetzliche Verankerung der Selbsthilfe ein – und bemüht sich um Partnerschaften mit Organisationen im Sozial- und Gesundheitsbereich. Interview: Elisabeth Seifert «Selbsthilfegruppen stärken die Selbstkompetenz» Herr Zemp, die Stiftung Selbsthilfe Schweiz engagiert sich für die Anliegen der gemeinschaftlichen Selbsthilfe. Was ist das genau? Bei der gemeinschaftlichen Selbsthilfe schliessen sich Menschen mit denselben Problemen, einem gemeinsamen Anliegen oder in einer gleichen Lebenssituation zusammen, um sich gegenseitig zu helfen. Die Gruppen gestalten ihre Gespräche sorgfältig. Sie werden in der Anfangsphase und bei allfälligen Schwierigkeiten von Fachpersonen in den regionalen Selbsthilfezentren begleitet. Die gemeinschaftliche Selbsthilfe kann bei psychischen und körperlichen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen oder in sozialen Lebensfragen Halt und Unterstützung geben. Die Teilnehmenden verstehen sich dabei als Expertinnen und Experten auf ihrem Gebiet. … steht die gemeinschaf tliche Selbsthilfe damit in einem gewissen Spannungsfeld zur Expertise der Fachpersonen? Die Selbsthilfe ersetzt nicht die fachliche Unterstützung, ist aber in den genannten Bereichen komplementär sehr hilfreich. In der Schweiz ist die gemeinschaftliche Selbsthilfe in den 80er-Jahren aus dem Wunsch heraus entstanden, die eigenen Ressourcen zu stärken und damit die Selbstkompetenz zu fördern. Ganz ähnlich funktionieren auch Ansätze des Empowerments. Auch hier geht es darum, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren und Selbstwirksamkeit erleben zu können. Gemeinschaftlich organisierte Selbsthilfegruppen bieten einen guten Rahmen, um sich partnerschaftlich, auf Augenhöhe und ohne Bevormundung begegnen zu können. Wo steht die gemeinschaftliche Selbsthilfe heute nach den Anfängen vor rund 40 Jahren? Entsprechend der Idee der gemeinschaftlichen Selbsthilfe handelte es sich vor allem zu Beginn um eine klassische Bottom-up-Bewegung, eine Bewegung also, die von den betroffenen Menschen selbst ins Leben gerufen und vorangetrieben worden ist. Im Lauf der Zeit haben sich dann professionelle Strukturen entwickelt, um die Qualität der gemeinschaftlichen Selbsthilfe zu fördern und die Anliegen der Selbsthilfe in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Seit gut 20 Jahren gibt es die Stiftung Selbsthilfe Schweiz, die als Koordinations- und Dienstleistungsstelle von 22 regionalen Selbsthilfezentren agiert. Die einzelnen Selbsthilfezentren sindAnlauf- undBeratungsstellen für die Selbsthilfegruppen. Konkret: Wie viele Selbsthilfegruppen gibt es heute? Schweizweit existieren heute rund 2800 lokale Selbsthilfegruppen zu rund 300 Themen. Insgesamt nehmen rund 45000 Menschen an den Treffen teil. Drei Viertel der Selbsthilfegruppen sind im psychischen und somatischen Bereich angesiedelt und rund ein Viertel im sozialen Bereich. Auffallend ist, dass im Gesundheitsbereich der Anteil an Gruppen mit psychosomatischen und Im Fokus

14 ARTISET 12 I 2022 psychologischen Themen gegenüber rein somatischen Themen laufend zunimmt. Diese Entwicklung bildet die gesellschaftlichen Problemlagen ab. Neben diesen Selbsthilfegruppen bestehen auch eigentliche Selbsthilfeorganisationen? Es gibt schweizweit über 200 Selbsthilfeorganisationen. Diese sind themenspezifisch ausgerichtet und stärker strukturiert als die lokalen Selbsthilfegruppen. Diese Selbsthilfeorganisationen, die zum Netzwerk von Selbsthilfe Schweiz gehören, engagieren sich in der Beratung und der Interessenvertretung. Ähnlich wie die regionalen Selbsthilfezentren koordinieren und begleiten sie zudem Selbsthilfegruppen. Das sind zum einen autonome Gruppen wie in der klassischen gemeinschaftlichen Selbsthilfe oder in Video-­ Selbsthilfegruppen, aber auch fachgeleitete Gruppen, bei denen Fachpersonen an den Treffen direkt teilnehmen. Wie und wo verorten Sie die Unterstützung durch Peers? «Peers» sind zunächst einfach «Gleichbetroffene». Vor allem im psychischen Bereich und im Rahmen der Recovery-Bewegung sind Peers eigentliche «Expertinnen oder Experten aus eigener Erfahrung», die zusätzlich eine spezifische Ausbildung durchlaufen und in Institutionen als Mitarbeitende angestellt werden. … Peers werden damit zu einer Art Fachpersonen? Der Einsatz von Peers ist zwischen der gemeinschaftlichen und der fachgeleiteten Selbsthilfe angesiedelt. Vor allem innerhalb der Selbsthilfeorganisationen aber auch bei Selbsthilfe Schweiz respektive den Selbsthilfezentren wird derzeit darüber diskutiert, welche Rolle Peers übernehmen können. Es gibt hier aber eine Reihe von Fragen. Dies beginnt mit der Definition von Peers. Handelt es sich hierbei um Betroffene respektive um Betroffene mit zusätzlichem Wissen, oder sind es betroffene Fachpersonen? Zurück zur gemeinschaftlichen Selbsthilfe: Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich? Seit vielen Jahren hat die Stiftung Selbsthilfe Schweiz einen Leistungsauftrag des Bundesamtes für Sozialversicherung und zudem werden wir mit Beiträgen der Kantone unterstützt. All diese Beiträge decken aber nur einen Teil der effektiven Kosten der Selbsthilfebewegung ab. International sieht es ganz anders aus… Was bedeutet das konkret? Namentlich in Deutschland hat die gemeinschaftliche Selbsthilfe bereits seit vielen Jahren einen gesetzlich verankerten Auftrag und wird finanziell entsprechend unterstützt. Deutschland hat aus diesem Grund proportional zur Bevölkerung zwei- bis dreimal so viele Selbsthilfegruppen. In Österreich ist es ähnlich. Mit der entsprechenden Unterstützung hätten wir auch in der Schweiz noch grosses Potenzial. Sehr wenige Selbsthilfegruppen gibt es traditionellerweise in Frankreich und Italien, dafür sehr viele in Grossbritannien und den USA. Engagieren Sie sich in der Schweiz für eine gesetzliche Verankerung der Selbsthilfe? Die Basler SP-Nationalrätin SarahWyss hat eine entsprechende Motion eingereicht. Der Bundesrat hat diese Ende Februar abgelehnt hat, im Parlament ist der Vorstoss noch hängig. Wir von Selbsthilfe Schweiz engagieren uns sehr für eine Annahme der Motion. Schub erhoffen wir uns dabei von einer Literaturstudie des Bundesamts für Gesundheit zum Thema Kosteneffizienz und Selbstmanagementkompetenz, die Anfang November publiziert wurde. Darin ist Selbsthilfe ein wesentlicher Bestandteil der Selbstmanagementkompetenz. Lassen sich mit Selbsthilfe Kosten sparen? Die Studie zeigt auf, dass eine Förderung der Selbstmanagementkompetenz und damit auch der Selbsthilfe zu einer Entlastung des Sozial- und Gesundheitswesens und zu möglichen Kosteneinsparungen in der Schweiz führen kann. Bereits 2017 hat ja eine Studie der Hochschule Luzern und der Universität Lausanne gezeigt, dass Selbsthilfe wirkt. Im Fokus Lukas Zemp, Geschäftsführer von Selbsthilfe Schweiz: «Selbsthilfe kann Foto: Privat

ARTISET 12 I 2022 15 Anzeige Die Studie machte deutlich, dass sich Selbsthilfe sowohl auf der individuellen als auch der gesellschaftlichen Ebene positiv auswirkt. Mit der Teilnahme an einer Gruppe fühlen sich die Mitglieder generell besser. Sie haben auch weniger Schuldgefühle, weil sie sehen, dass es anderen ähnlich geht. Sie fühlen sich mit der schwierigen Situation nicht alleingelassen und finden praktische Lösungen, die sich bei anderen bereits bewährt haben. Weiter verbessern sich die Beziehungen zu Nahestehenden und auch zu Fachleuten. Zudem werden unter den Gruppenteilnehmenden neue Beziehungen geknüpft. Und inwiefern belegt die Studie eine Wirkung auf der gesellschaftlichen Ebene? Die Selbsthilfe ergänzt die Gesundheitsversorgung und den Sozialbereich und leistet einen Beitrag zur Prävention. Zudem kann sie für neue, gesellschaftlich relevante Themen sensibilisieren. Mitglieder von Selbsthilfegruppen sind kritische Patientinnen und Patienten und können auf diese Weise einen positiven Einfluss haben auf die Qualität und das Angebot imGesundheits- und Sozialwesen. Selbsthilfegruppen können insbesondere dazu beitragen, dass die Interessen der Betroffenen besser wahrgenommen werden. Wie beurteilen Sie die Positionierung der Selbsthilfe im Sozial- und Gesundheitsbereich? Insbesondere die regionalen Selbsthilfezentren haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Kooperationen aufgebaut mit Psychiatrischen Diensten und Kliniken sowie mit Spitälern, mit Sozialberatungsstellen und mit Behindertenorganisationen. Auch die Geschäftsstelle von Selbsthilfe Schweiz unternimmt grosse Bemühungen, mit verschiedenen Akteuren im Sozial- und Gesundheitsbereich Partnerschaften einzugehen. Ich sehe hier noch grosses Potenzial. Im Gesundheitswesen gibt es sehr viele Akteure. Wichtig ist aber, dass gerade die Erfahrung und die Kompetenz der Betroffenen, der zu einer Entlastung des Sozial- und Gesundheitswesens führen.»

16 ARTISET 12 I 2022 STEFAN TRACHSEL www.keller-be atung.ch 056 483 05 10 5405 Baden-Dättwil strategie Projekte controlling Prozesse Digitalisierungsstrategie – beDürfnisgerecht «Von der Strategie zur Masterplanung: wir unterstützen Sie bei der Erarbeitung Ihrer Strategie und deren Konkretisierung in zukunftsgerichtete Umsetzungspakete.» Ihre Spezialisten für Spital, Heim und Spitex Anzeige Patientinnen und Patienten, noch besser berücksichtigt werden. Mit unserem aktuellen Projekt «Gesundheitskompetenz dank selbsthilfefreundlicher Spitäler» versuchen wir mit Unterstützung von Gesundheitsförderung Schweiz genau solche Ziele zu erreichen. Wie wird ein Spital selbsthilfefreundlich? In einem selbsthilfefreundlichen Spital arbeiten Ärzteschaft, Pflege, Therapie und weitere Mitarbeitende mit Selbsthilfegruppen zusammen. Patienten und Patienten sowie ihre Angehörigen werden zum Beispiel bei einem Austritt über die mögliche Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe informiert. Selbsthilfegruppen wird ermöglicht, an internen Weiterbildungen oder Informationsveranstaltungen teilzunehmen, was zu einer Verbesserung von Behandlungsabläufen führen kann. Eine Reihe von Spitälern in der Schweiz hat bereits die Auszeichnung «Selbsthilfefreundlich» erhalten. Welche Potenziale sehen Sie in der Zusammenarbeit mit Dienstleistern für Menschen mit Unterstützungsbedarf? Das Konzept, das wir für den Weg zum selbsthilfefreundlichen Spital entwickelt haben, könnte man auch für sozialmedizinische und soziale Institutionen sowie für Leistungserbringer im ambulanten Bereich verwenden. Egal, ob Menschen im Alter oder Menschen mit Beeinträchtigung in ihren eigenen vierWänden oder in einer Institution leben: Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen stärkt bei Betroffenen und auch ihren Angehörigen die Autonomie und Selbstkompetenz massiv und führt so zu einer höheren Lebensqualität. Können Sie diesen Mehrwert gerade auch für Bewohnerinnen und Bewohner eines Pflegeheims oder einer Behinderteninstitution konkretisieren? Selbsthilfegruppen sind Austauschgruppen untereinander. Sie entscheiden selber, was das Ziel ihrer Gespräche ist. Heime könnten zum Beispiel Gesprächsgruppen oder Partizipationsgefässe für ihre Bewohnenden gründen. Aber das ist fachlich gesehen etwas anderes als eine gemeinschaftliche Selbsthilfegruppe. Der Vorteil einer externen, gemeinschaftlichen Selbsthilfegruppe liegt darin, dass die Heimbewohnenden in Kontakt kommen mit Gleichbetroffenen ausserhalb ihrer eigenen Institution. Dies könnte ihre gesellschaftliche Integration festigen respektive zusätzlich fördern. Dies gilt auch für Selbsthilfegruppen von Angehörigen, die zum Beispiel einander Tipps geben und ihre Erfahrungen dem Heim zurückspiegeln könnten. * Lukas Zemp, Jahrgang 1960, ist seit Anfang 2022 Geschäftsführer der Stiftung Selbsthilfe Schweiz. Er ist ausgebildeter Kommunikationsfachmann und Verbandsmanager. Vor seiner Tätigkeit bei Selbsthilfe Schweiz hat er für verschiedene, nationale Organisationen und Projekte im medizinischen Bereich sowie im Gesundheits- und Sozialumfeld gearbeitet. Weitere Infos finden Sie hier: ➞ www.selbsthilfeschweiz.ch «Mitglieder von Selbsthilfegruppen sind kritische Patientinnen und Patienten und können auf diese Weise einen positiven Einfluss auf die Qualität und das Angebot im Gesundheits- und Sozialwesen haben» Lukas Zemp

ARTISET 12 I 2022 17 Im Fokus Im Kirchgemeindehaus von Le Mont-sur-Lausanne versammeln sich jeden Donnerstag um die zwanzig Personen für das «Café Solidaire». Manchmal sind es noch mehr. Diesen Donnerstag drängen ab halb zehn über dreissig Personen zum Eingang, wo sie von den heutigen Gastgebern Gérard Tissot und Edgard Raeber empfangen werden. Es herrscht eine herzliche Atmosphäre, man grüsst sich, ruft den bereits an den Tischen Sitzenden von Weitem etwas zu, erfährt Neuigkeiten von den einen und fragt nach der Gesundheit von anderen. An der Bar nahe beim Eingang steht ein grosser Tisch. Die darauf liegenden Informationen erinnern an die bevorstehenden Aktivitäten. Interessierte werden dazu aufgefordert, sich für einen Ausflug, eine Konferenz oder auch eine solidarische Mahlzeit anzumelden. Zudem können Freiwillige auf einer Liste ihre Verfügbarkeit für den Transport des Gruppenältesten eintragen. Der 90-Jährige kann sich kaum noch allein fortbewegen. Gelegentlich liegt dort auch eine Karte mit Genesungswünschen für Kranke zur Unterschrift auf. Dieser Treff bietet nicht zuletzt auch die Gelegenheit, über zukünftige Projekte zu informieren. «Es ist ein magischer Ort» Das Café Solidaire gehört zu den Haupttätigkeiten des Vereins Mont Solidaire. Zu seinen Zielen gehören die gegenseitige Hilfe, das Zuhören und der Austausch. Es ist ein Ort der Begegnung, wo die Seniorinnen und Senioren der Gemeinde Freundschaften schliessen können. Für die Neuzu- «Wir brauchen junge Alte» Im Juni dieses Jahres wurde der Verein Mont Solidaire ins Leben gerufen. Er entstand aus einem partizipativen Gemeinschaftsprojekt und wird von und für Seniorinnen und Senioren geführt. Pro Senectute Waadt, der Kanton Waadt und die Gemeinde Le Mont-sur-Lausanne unterstützen den Verein. Sein Ziel ist es, die sozialen Beziehungen der Seniorinnen und Senioren aufrechtzuerhalten und ihre Lebensqualität zu verbessern. Von Anne-Marie Nicole «QUARTIERS & VILLAGES SOLIDAIRES» Das Ziel der «Quartiers & Villages Solidaires» von Pro Senectute Waadt sind bessere Lebensbedingungen für die älteren Menschen in einem Dorf oder Quartier. Dies geschieht durch den Aufbau sozialer Beziehungen und nach einem partizipativen Ansatz. Die Methodik zur Begleitung von Gemeinschaftsprojekten umfasst sechs Etappen: Voranalyse, Diagnose, Aufbau, Entstehung, Realisierung, Autonomie. In zwanzig Jahren hat Pro Senectute Waadt rund vierzig solcher Quartier- oder Dorfprojekte begleitet. ➞ www.quartiers-solidaires.ch gezogenen ist es der erste Schritt zu neuen Bekanntschaften und Geselligkeit. «In unserem Alter droht manchmal Einsamkeit», warnt die achtzigjährige, rüstige Gisela Raeber. Sie gehört zur Verwaltungsgruppe des Vereins. «Hier ist für alle ein magischer Ort, egal, ob man allein, als Paar, im Alters- und Pflegeheim oder betreut wohnt», schwärmt die Frau. Mit Begeisterung erzählt sie von den Lebenswegen und -geschichten der Menschen, die sie im Café Solidaire trifft und die ihr nun auch auf der Strasse oder in den Geschäften begegnen.

18 ARTISET 12 I 2022 Gisela und Edgard Raeber leben seit vierzig Jahren in Le Mont-sur-Lausanne. Trotzdem kannten sie bis vor fünf Jahren abgesehen von den nächsten Nachbarn nicht viele Leute in der Gemeinde. Allerdings ist zu sagen, dass sich die Gemeinde von Le Mont-sur-Lausanne über etwa 980 Hektaren erstreckt und gegen 10000 Einwohnerinnen und Einwohner zählt. Es ist eher eine Stadt als ein Dorf. Aufgrund des raschen Bevölkerungswachstums von Le Mont war die Gefahr da, dass sich die sozialen Beziehungen innerhalb der Bevölkerung auflösen. Der bald 80-jährige Lucien Paillard ist Co-Vorsitzender der Verwaltungsgruppe und Antriebskraft des Projekts, das zur Gründung des Vereins Mont Solidaire führte. Im Jahr 2016 zeigte sich der Gemeindepräsident von Le Mont besorgt über das mangelnde Interesse der älteren Menschen an ihremWohlbefinden. Er vertraute sich Lucien Paillard an, und dieser machte ihn auf die Vorteile der seit Anfang 2000 von Pro Senectute Waadt initiierten Gemeinschaftsprojekte «Quartiers&Villages Solidaires» aufmerksam (siehe dazu den Kasten). So startete im Juni 2017 offiziell ein «Quartier Solidaire»- Projekt in Le Mont-sur-Lausanne. Geführt wird es von und für Seniorinnen und Senioren der Gemeinde unter der Federführung des Ressorts Bildung, Kultur und Umwelt. Für die Leitung ist die Abteilung Gemeinwesenarbeit von Pro Senectute Waadt zuständig. «Das Projekt wendet sich an Seniorinnen und Senioren und geht davon aus, dass sie die Experten für ihre nähere Umgebung sind», schrieb der Gemeinderat Philippe Somsky im Herbst 2017. Und weiter: «Es bietet ihnen die Möglichkeit, Empfehlungen für eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen an die Behörden zu übermitteln (…) Das Projekt verfolgt aber auch das Ziel der Selbstorganisation.» In diesem Frühling wurde der Partizipationsprozess offiziell abgeschlossen und der neu gegründete Verein Mont Solidaire übernahm das Projekt. Auch wenn eine Verwaltungsgruppe eingesetzt wurde, bleibt die Struktur doch horizontal und partizipativ. Die Seniorinnen und Senioren entwickeln Projekte und Aktivitäten und entscheiden über deren Durchführung. Eine Ressourcengruppe gewährleistet den Kontakt zu den Akteuren vor Ort. Zur Gruppe gehören die Gemeinde Mont, die reformierte Kirchgemeinde, das sozialmedizinische Zentrum, das Alters- und Pflegeheim La Paix du Soir, verschiedene Vereine und Stiftungen sowie die Abteilung Regionale Sozialarbeit von Pro Senectute Waadt. Die Gemeinde unterstützt das Projekt seit 2023 mit Beiträgen. Vom Cyber-Café bis zur «Zeitbank» Mitte September wurde für das flügge gewordene Projekt anlässlich der Gründung des Vereins Mont Solidaire ein Fest organisiert. Die Seniorinnen und Senioren präsentierten einen Sketch mit dem Namen «Der Zauberstab». Die Theaterproduktion schildert auf anschauliche Weise die vielen Der Verein Mont Solidaire, gegründet im Juni 2022, vereinigt Menschen mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen und Interessen. Unter ihnen: Gisela Raeber (rechts, sitzend) und Lucien Paillard (links, stehend) Foto: Mont Solidaire

ARTISET 12 I 2022 19 Hygiene- Services ServiceAngebot RaumluftHygiene Schmutzfangmatten WaschraumHygiene WIR BIETEN MEHR ALS HYGIENE. WIR BIETEN EIN SICHERES GEFÜHL. Werden Sie Partner und profitieren Sie von einer ganzheitlichen Betreuung und Beratung, zuverlässigen Service-Dienstleistungen und innovativen Produktlösungen. Rentokil Schweiz AG Hauptstrasse 3 4625 Oberbuchsiten Tel. 0800 728 237 www.initial.com/ch The Experts in Hygiene ist zurück! Anzeige Aktivitäten des Vereins. Man erfährt, dass Adriana jeden ersten Montag im Monat eine Wanderung vorschlägt, dass Daniel verantwortlich für das Cyber-Café ist, dass Françoise für die kulturellen Anlässe zuständig ist und dass Johanna den «Club der Bonvivants» leitet. Zudem entdeckt man, dass eine auf Biodiversität bedachte Gruppe einen Permakulturgarten mit Nistkästen, einem Insektenhotel, zwei Teichen und einem Blumenfeld angelegt hat. Dazu kommen der Mittwochs-Jass, Pétanque am Freitag, die intergenerationellen Begegnungen, der Literaturclub, das Strick- und Häkelatelier, die Kornothek und Kurse für sanfte Gymnastik. Und nicht zu vergessen die «Zeitbank». Hierbei handelt es sich laut den Erklärungen von Lucien Paillard um ein Netzwerk für kostenlose gegenseitige Hilfestellung – «Für ein Lächeln und ein Merci» steht auf dem Angebotsformular. Alle können hier ihre Kenntnisse und Talente oder die gewünschten Hilfestellungen einbringen: Kleinreparaturen, Möbelmontage, Personentransport, Rechts- oder Immobilienberatung, Bäume schneiden, Informatik-Support oder Sprachkurse. Knapp zwanzig Personen stellen in der Zeitbank ihre Fähigkeiten zur Verfügung. Die Ressourcen der Gruppe sind vielfältig, werden aber noch zu wenig genutzt. «Viele wollen nicht umHilfe bitten», beobachtet Gisela Raeber. Junge Seniorinnen und Senioren sind gesucht Mont Solidaire vereinigt Menschen mit sehr unterschiedlichen kulturellen, beruflichen und sozialen Hintergründen. «Eine Verständigung ist immer möglich und man lacht auch viel zusammen», versichert Gisela Raeber. «Man muss seine Vorurteile beiseitelassen und mehr Toleranz und Respekt lernen», ergänzt Lucien Paillard. Von den rund 170 Personen, die sich dem Verein Mont Solidaire angeschlossen haben, engagieren sich knapp 40 aktiv. Neben dem Stolz und der Freude, ein Teil dieser Bürgerbewegung zu sein, ist auch eine gewisse Unsicherheit zu spüren. Obwohl die Mitglieder trotz ihres Alters noch sehr aktiv sind, würden sie die Teilnahme jüngerer Seniorinnen und Senioren zwecks Ablösung begrüssen. «Uns verbindet eine erstaunliche Dynamik. Es wimmelt von Ideen und Initiativen, aber die Dynamik ist fragil», gesteht Nano de Vries ein. Heute war er der Chauffeur für den 90-jährigen Ältesten. «Wir brauchen junge Alte» Dieses Thema wird die zukünftigen Überlegungen und Aktionen sicher noch beeinflussen. Im Fokus

20 ARTISET 12 I 2022 Im Fokus Aktuell Brückenbauer und Hoffnungsträger Peermitarbeiter Pedro Codes im Beratungsgespräch mit einer Bewohnerin: Beim Spazieren im Schlosspark laufen die Gespräche am besten. Foto: Marco Zanoni

ARTISET 12 I 2022 21 Die letzten Herbstblätter leuchten gelb-orange in der Sonne, hinter dem Springbrunnenteich thront das Schloss, dem die Institution Schlossgarten Riggisberg bei Bern den Namen verdankt. Langsam spazieren Pedro Codes und eine Bewohnerin über den Kiesweg, versunken in ein Gespräch. Es sieht gemütlich aus. Solche Spaziergänge beinhalten aber weit mehr: Codes ist einer der beiden festangestellten Peer-Mitarbeitenden mit Psychiatrieerfahrung, und seine Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil im Institutionsangebot. Jeden Mittwoch führt er im Schlossgarten Riggisberg drei bis fünf Beratungsgespräche durch. Der ehemalige Musikjournalist hat eine Zusatzausbildung in Psychosozialer Beratung absolviert und kann gut auf die Bewohnenden eingehen. «Das Besondere, das ich bieten kann, ist meine eigene Geschichte und mein persönliches Verständnis», fasst er zusammen. Eine rezidivierende Depression, Angststörung, Migrationserfahrung und eine Mutter mit paranoider Schizophrenie – Codes kennt sich in vielenThemen aus, und das zählt. Nicht die gleiche Diagnose, sondern die gleiche Erfahrung verbindet: «Die Leute glauben mir aufgrund meiner persönlichen Geschichte einfach mehr.» Gespräche mit Bewohnerinnen oder Bewohnern führt er am liebsten beim Spazieren. «Da läuft auch das Hirn besser», scherzt er. Zu Beginn lässt er sein Gegenüber erzählen und versucht zu erkennen, welche Bedürfnisse ihm entgegenkommen. Er sucht nach Gemeinsamkeiten, baut eine Beziehung auf und gibt eigene Erfahrungen preis. Allerdings ist er auch darauf bedacht, sich mit Ratschlägen zurückzuhalten: «Wenn ich zu viel von mir preisgebe, nehme ich demGegenüber die Chance, selbst zu lernen.» Zugleich kommt das Abgrenzen auch ihm persönlich zugute. Anfangs hätten ihn belastende Erfahrungen des Gegenübers ziemlich mitgenommen. «Das ist ein Prozess, inzwischen kann ich das einordnen und weiss, dass ich auch beistehen kann, indem ich einfach nur da bin.» Wird die Belastung zu gross, erhält er Unterstützung durch ein externes Coaching. Das Wohlergehen «ihrer» Peer-Mitarbeitenden liegt Ursula von Bergen, Co-Leiterin Bereich Wohnen und Arbeiten, am Herzen: «Mir ist sehr wichtig zu sehen, wie es ihnen geht, denn sie sind wichtige Mitarbeitende unseres Beratungsteams.» Sie hält kurz inne und doppelt nach: «Ja, Peers sind für eine aufgeschlossene Institution wie den Schlossgarten sogar unverzichtbar.» Peers: Fest im Beratungsteam Zu dieser Überzeugung war sie gelangt, nachdem sie vor sechs, sieben Jahren zweimal externe Peers für Anlässe rund um Recovery eingeladen hatte, ein Modell, das Selbstwirksamkeit und Genesungspotenzial unterstützt. Psychiatrieerfahrene Menschen, die andere Betroffene begleiten – das mache so viel Sinn, sagt sie, dass es dringend festangestellte Peers benötige: «Diese sind Brückenbauer und Hoffnungsträger für die Bewohnenden.» Rasch reifte die Idee, je einen Mann und eine Frau anzustellen. Ursula von Bergen schaltete ein Inserat, lud die Bewerberinnen und Bewerber zu offiziellen Vorstellungsgesprächen und wählte dann zwei aus. Als 2019 im Schlossgarten die Beratungsstelle eröffnete, lautete eines der Angebote «Peers. Beratung auf Augenhöhe», darunter die Namen und Mailadressen von Pedro Codes und Daniela Wegmüller. Daniela Wegmüller, die zweite angestellte Peer, ist beim Interview nicht vor Ort, hat aber ihre Gedanken schriftlich mitgeteilt: «Die Bewohnerinnen und Bewohner erzählen imWissen, dass ihr Gegenüber nachvollziehen kann, wovon sie reden, wenn psychische Erschütterungen die Welt auf den Kopf stellen», erklärt sie. Oft werde sie nach ihren eigenen Erfahrungen und Strategien gefragt. Ihre Arbeit empfindet sie als «anspruchsvoll und herausfordernd, aber auch inspirierend». Noch lebhaft erinnert sie sich an einen Spieltag, an dem sie einen wortkargen und zurückgezogenen Bewohner zu einem gemeinsamen Spiel einlud. «Aus einem Spiel wurden zwei, drei, vier… Es war so schön zu sehen, wie er lächelte, seine Augen während des Spiels leuchteten und wie motiviert er in diesen Stunden war.» Auch die Zusammenarbeit im Team erlebt sie als sehr angenehm, Im Schlossgarten Riggisberg BE hat Peerarbeit einen hohen Stellenwert. Die Institution hat zwei Peers mit Psychiatrieerfahrung angestellt, die von allen Seiten geschätzt werden: Sie unterstützen Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Weg zu mehr Selbstwirksamkeit. Von Claudia Weiss

Beste Karten für ein gutes Zusammenspiel Ein sonniger Augustmorgen in Emmen LU: Es ist sieben Uhr in der Früh, als mich Sabine Felber, Geschäftsleiterin Pflege und Betreuung sowie stellvertretende CEO, draussen vor dem Bürogebäude der BZE AG herzlich begrüsst. Beinahe gleichzeitig klingelt mein Handy. Stefan Straubhaar, der Pistor Chauffeur, kündigt die Anlieferung innert der nächsten zehn Minuten an. Sabine Felber führt mich über Treppen und durch Gänge ins Untergeschoss zum Lieferanteneingang. Dort treffen wir nebst Stefan und seinem weissen Pistor Elektro-Lkw auf Ralf Schied, Leiter Team Verpflegungsservice. Er nimmt die bestellte Ware in Empfang. Eine Lobeshymne auf Pistor Während Stefan Straubhaar den Rollbehälter aus dem Lkw holt und sicher über die Rampe transferiert, rühmt Ralf Schied: «Pistor ist eine sehr gute und zuverlässige Lieferpartnerin. Wir bestellen zwei Mal pro Woche Produkte für die Küche und das Economat inklusive Frisch- und Fleischprodukte sowie Kiosk- und Reinigungsartikel. Besonders schätze ich, dass ich die Bestellung mittels Scangerät bequem anhand des Menüplans und mit einem Gang durchs Lager erfassen kann. Und die Pistor Chauffeure sind alle sehr freundlich, kompetent und hilfsbereit.» Inzwischen hat Chauffeur Stefan die Lieferung kühlkettengerecht versorgt und übergibt Ralf Schied den Lieferschein. Sabine Felber und ich verabschieden uns und gehen zurück ins Bürogebäude. «Uns ist der zentrale Einkauf ein grosses Anliegen», beginnt sie. «Für zwei Betagtenzentren und eine Kita benötigen wir einerseits verschiedene Produkte für die Bereiche Küche, Hauswirtschaft, Pflege, Büro und Kita. Andererseits gibt es viele Artikel, die überall gebraucht werden: Sie reichen vom WC-Papier über den Kugelschreiber bis hin zum Reinigungs- und Desinfektionsmittel.» Das Bestellwesen verschlanken, zentral einkaufen und liefern sowie die Kosten um die Hälfte reduzieren – diese drei Trümpfe wissen verlässliche Lieferpartnerinnen auszuspielen. Im Fall der Betagtenzentren Emmen AG (BZE AG) sind es Pistor und Cosanum. Gemeinsam ist die Dreierkooperation auf erfolgreicher Mission. Ralf Schied, Leiter Team Verpflegungsservice, und Pflegefachfrau Fabienne Origoni sind sehr zufrieden mit dem Service von Pistor. Erste gemeinsame Schritte mit Cosanum Ende März hat das Kick-off-Meeting für das gemeinsame Logistikprojekt zwischen der BZE AG, Pistor und Cosanum stattgefunden. Ziel in einem ersten Schritt ist es, den Einkauf zu zentralisieren und preiswert zu gestalten. So soll dem Pflegefachpersonal mehr Zeit für die Bewohnenden bleiben und die Qualität hochgehalten werden. «Wir möchten möglichst viele Produkte bei einem bis zwei Lieferanten beziehen. So benötigen wir keine grossen Lager, haben schlanke Bestellprozesse und sind effizient unterwegs», erläutert Sabine Felber. Als Nächstes besuchen wir das Haupthaus mit den über mehrere Stockwerke verteilten Zimmern der Bewohnenden. Im zweiten Obergeschoss treffen wir auf rüstige und zufrieden wirkende Seniorinnen und Senioren. Fabienne Origoni, Fachfrau Gesundheit, nimmt uns mit auf ihren Rundgang, auf dem sie die Inkontinenzvorräte bei den Bewohnenden auffüllt. Zurück im Stationszimmer, bestellt die Fachfrau die fehlenden Produkte über die Cosanum-Bestellplattform online nach. Dabei erfahren wir mehr über die neu aufgebaute Stationsbelieferung im Betagtenzentrum durch Pistor Plus Partner Cosanum und von einem Highlight bezüglich Kostenreduktion. Möchten Sie mehr darüber erfahren und was das nächste Ziel der Dreierkooperation ist? Betagtenzentren Emmen AG Die Betagtenzentren Emmen AG (BZE AG) in der Gemeinde Emmen LU besteht aus den zwei Betagtenzentren Alp und Emmenfeld. Insgesamt 302 Bewohnende nehmen die ambulanten und stationären Angebote in Anspruch. Sie werden durch 420 Mitarbeitende, davon 50 Auszubildende, mit viel Herzblut umsorgt, damit sie «bestens aufgehoben zu jeder Zeit» sind – ganz gemäss dem Leitsatz der BZE AG. Auch die Jüngsten gehören zum intergenerationellen Leben dank der hauseigenen Kita, die 25 Kindern Platz bietet. Zu Begegnungen, Feierlichkeiten und Veranstaltungen laden die beiden öffentlichen Restaurants «Alpissimo» und «Schlemmerei». bzeag.ch PUBLIREPORTAGE Scannen Sie den QR-Code und lesen Sie die ganze Geschichte.

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