Fachkräfte gewinnen und behalten

ARTISET 04/05 I 2023 9 Im Fokus Studierenden eine monatliche Pauschale in Ergänzung zum Ausbildungslohn gewährt werden. In den beiden Kantonen sind es einige junge Männer und Frauen, die derzeit von diesem Angebot Gebrauch machen. «Wir haben natürlich das Glück, dass wir finanziell gesund dastehen», sagt Antonia Fässler. Das erlaubt, nicht allein in die Ausbildung zu investieren, sondern auch in die allgemeine Personalzufriedenheit. «Wir sind daran, permanent die Arbeitsbedingungen zu verbessern», sagt Fässler. «Auch dies ist ein Beitrag gegen den Fachkräftemangel.» Konkret bedeutet dies im Haus Vorderdorf», dass man etwa die geteilten Dienste auf ein absolutes Minimum per 1. Juni reduzieren wird. Das kostete zwar etwas. Doch Co-Geschäftsleiterin und Projektleiterin Sabine Selmanaj sagt: «Die geteilten Dienste – das haben wir immer wieder feststellen müssen – sind ein Hemmschuh bei der Rekrutierung von Personal.» Aufhören mit Sparen «Ich empfehle den Institutionsleitungen aus eigener Erfahrung, mit dem Sparen beim Personal aufzuhören», sagt Ilir Selmanaj. Sein Rezept? «Dafür sorgen, dass jeder und jede in seiner Rolle zur Geltung kommt.» Wertschätzung ist ein Begriff, den der Heimleiter gerne wiederholt – Wertschätzung gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern, Wertschätzung gegenüber dem Personal. So lässt man sich im Haus Vorderdorf einiges einfallen, um das Betriebsklima so positiv wie möglich zu halten. «So kann», sagt Heimleiter Selmanaj, «auch die Qualität der Betreuung und Pflege gesteigert werden. Sprich: mehr Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner, mehr Angebote, mehr Kommunikation, mehr Gemeinsames.» Denn – und dies ist für den Geschäftsleiter klar: «Wir sind für alle verantwortlich – für die Bewohnerinnen und Bewohner und für das Personal.» Auf beiden Seiten seien die Ansprüche gestiegen – und dem müsse man Rechnung tragen. «Wenn wir Änderungen in den Arbeitsplänen, in der Organisation oder in Betriebsabläufen vornehmen, müssen wir uns immer die Frage stellen: Was hat der Bewohner davon?» Daraus sei das Projekt «Optimal leben und arbeiten» entstanden. Es berücksichtigt individuelle Wünsche auf Bewohner-, aber auch auf Angestelltenseite. «Beide Seiten sollten von einer Veränderung etwas haben.» Pausen sind tatsächlich Pausen Denn was nützen die bestens ausgebildeten Fachkräfte, wenn die Arbeitsbedingungen nicht stimmen? Der Leitung des Hauses Vorderdorf ist deshalb ebenso wichtig, auch in sogenannt «weiche Faktoren» zu investieren. Dazu gehört etwa, dass alle Mitarbeitenden und deren Kinder bis 12 Jahre vergünstigte Mahlzeiten beziehen können, dass ihnen ein Ruheraum eingerichtet wurde (bezahlt vom Stiftungsrat) oder dass Pausen wirklich Pausen sind. Selmanaj zitiert eine Mitarbeiterin. «Seit ich hier arbeite, kann ich die Arbeit tatsächlich so unterbrechen, dass ich durchatmen und mich erholen kann.» Teamspirit heisst es auf Neudeutsch, wenn vom Betriebsklima in einer Unternehmung die Rede ist. Ein solcher Teamspirit kann nicht einfach von oben verordnet werden. Er muss entstehen. «Als Leitung einer Institution kann man aber viel dazu beitragen», sagt Ilir Selmanaj. Zum Beispiel so, dass er zur Selbstverständlichkeit gemacht hat, dass man sich begrüsst, wenn man zur Arbeit erscheint. Oder auch so, dass er für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das «Feierabendbier» initiiert hat. Einmal imMonat trifft man sich in einer Beiz im Dorf zu diesem «Feierabendbier». Bier ist dabei allerdings nicht Pflicht. Aber verpflichtend ist, dass zwar über alles geredet werden darf, nur über eines nicht: über die Arbeit. «So lernen sich die Leute von einer ganz anderen Seite kennen, entdecken vielleicht gemeinsame Interessen, ähnliche Vorlieben, reden über anderes als bei der täglichen Arbeit», sagt Selmanaj. Das Feierabendbier ist zu einer festen Veranstaltung geworden – wie auch andere Personalanlässe, die regelmässig stattfinden: der Sommerausflug, das Weihnachtsessen. Timo Fahrni, der Handwerker, der nun eine SRK-Pflegehelfer-Ausbildung macht, schätzt im Haus Vorderdorf «den angenehmeren Umgangston als auf dem Bau». Und seine Kollegin Danica Cikric, eine FaGe-Lernende, ist beeindruckt, mit welchem Respekt man miteinander umgeht. Und dies – so sagt Ilir Selmanaj – bei Bedingungen, die «immer komplexer werden». Es brauche heute sehr viel medizinisches Fachwissen, um kompetent pflegen zu können. Darum sei gut geschultes Personal unabdingbar. «Bildung ist Investition in die Zukunft», sagt er noch einmal, «und Sparen in diesem Bereich ist kontraproduktiv. Das sage ich auch an die Adresse anderer Pflegeinstitutionen.» «Seit ich hier arbeite, kann ich die Arbeit so unterbrechen, dass ich durchatmen und mich erholen kann.» Eine Mitarbeiterin im Haus Vorderdorf

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