Ältere Menschen koordiniert betreuen | Magazin ARTISET | 12-2024

Dezember I 2024 11 stimmung, Teilhabe und politischer Partizipation und stellt personenzentrierte Ansätze in den Vordergrund. «Begleiten bedeutet, gemeinsam mit der Person einen Weg zu gehen, Seite an Seite voranzuschreiten, etwas mit ihr und nicht an ihrer Stelle zu tun, ihren Bedürfnissen und Erwartungen zu entsprechen und sie dort zu unterstützen, wo es nötig ist», fasst Valérie Hugentobler zusammen. Spiegelt diese Terminologiefrage eine Weiterentwicklung der Praxis wider? Kann das mit dem Alter verbundene Vokabular die Vorstellungen über vulnerable Menschen im Alter verändern und ihre Betreuung respektive Begleitung verbessern? Valérie Hugentobler und Alexandre Lambelet achten in ihrem Unterricht sehr auf die Wortwahl. «Die Wortwahl ist keine neutrale Angelegenheit. Als Wissenschaftlerin achte ich in meinem Unterricht sehr auf die Verwendung und Definition der gewählten Begriffe. Auf derartige Überlegungen darf man im Rahmen der Ausbildung nicht verzichten», betont Valérie Hugentobler. Für Alexandre Lambelet birgt die Bevorzugung bestimmter Begriffe die Gefahr, Altersstereotype zu verstärken, und hat konkrete Auswirkungen darauf, wie man sich um Menschen kümmert. «Wörter haben Folgen. Für Studierende ist es schwierig, sich in eine Arbeit hineinzudenken, in der Personen als Last betrachtet werden. Es geht nicht darum, die mit dem Alter verbundene Abhängigkeit oder entsprechende Beeinträchtigungen zu verleugnen. Es geht vielmehr um die Sichtweise, in Verbindung mit der Person zu stehen und nicht nur eine Aufgabe auszuführen.» Kein einheitliches Verständnis des Begriffs «Betreuung» Der Begriff «accompagnement» stellt den Menschen viel stärker in den Mittelpunkt. Fabienne Pauchard fragt sich darüber hinaus, was er genau abdeckt. Die Leiterin Berufs- und Personalentwicklung Alter lateinische Schweiz bei Artiset bedauert, dass es keine eindeutige Definition gibt, die eine Beschreibung der Tätigkeit ermöglicht: helfen, unterstützen, beistehen. Man muss sich bewusst machen, dass sich die psychosoziale Dimension der Begleitung oder Betreuung nicht auf soziale Aktivitäten beschränkt. Vielmehr betrifft sie alle Lebenssituationen der Person bei allen Hilfs- und Pflegeleistungen. Die Übersetzung des Begriffs «Betreuung» ins Französische kann problematisch sein. Aber auch in der deutschsprachigen Welt ist die genaue Bedeutung nicht immer klar. «Der Bereich der Unterstützung von Menschen im Alter ist viel zu gross und komplex, um ihn in nur einem Wort zusammenzufassen», bekräftigt Rebecca Durollet, verantwortlich für Ausbildung und sozialpolitische Projekte im Gesundheits- und Sozialdepartement des Kantons Waadt. Die Forscherin wirkte auch an der von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) durchgeführten Studie «Alt werden ohne betreuende Familienangehörige» mit, deren Ergebnisse im Mai 2023 veröffentlicht wurden. In diesem Kontext stellte sie fest, dass es kein einheitliches Verständnis des Begriffs «Betreuung» gibt. Teils ist es schwierig, ihn von Hilfe und Pflege abzugrenzen, denn der Terminus deckt ein weites Feld ab und zahlreiche Akteure sind beteiligt: die Familie, Angehörige, die Nachbarschaft, Freiwillige, Fachkräfte … «Wir haben lange über den richtigen Begriff für die französische Übersetzung der Studie diskutiert», erzählt sie. Die Wahl fiel schliesslich auf «accompagnement psycho-social». Dieser Ausdruck umfasst die soziale, die persönliche und auch die fachliche Dimension der geleisteten Unterstützung. «Eine klare Definition, die der Realität in der Praxis entspricht, wäre jedoch wichtig», gibt sie zu. Weiterentwicklung der Alterspolitik «Betreuung bleibt ein schwammiges, wandelbares Konzept, das sich im Laufe der Zeit heranbildet und verändert», bemerkt Valérie Hugentobler. Vielleicht ergeben die bevorstehenden politischen Diskussionen eine klarere Antwort. Ursprünglich beschränkte sich Alterspolitik auf den Schutz der Gesundheit und auf materielle wie Der Ausdruck «prise en charge» findet kaum mehr Gnade in den Augen der Expertinnen und Experten für das Alter. Sie bevorzugen eindeutig den Begriff «accompagnement» im Sinn von«Begleitung». Dieser Terminus umfasst die Vorstellung von Selbstbestimmung und stellt personenzentrierte Ansätze in den Vordergrund.

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