Gesund und lustvoll essen Magazin ARTISET 1-2024

ARTISET 01/02 I 2024 11 in verschiedene weitere Prozesse, die gerade in grossen Institutionen sehr umfangreich sein können. Hohe logistische Anforderungen stellt etwa das Schicken der Mahlzeiten auf die Stationen. Besonders anspruchsvoll wird es dadurch, dass sich die Situation auf den Stationen jeden Tag verändert, aufseiten der Bewohnenden und auch aufseiten der Mitarbeitenden. Nur aufgrund einer guten Kommunikation mit allen involvierten Berufsgruppen und einer angemessenen Infrastruktur gelingt es, die Mahlzeiten zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Art und Weise auf die einzelnen Stationen zu schicken. Was dieses Bewusstsein für lebendige Prozesse betrifft, da sehen Sie in den Institutionen noch Handlungsbedarf? Die Verantwortlichen müssen verstehen, dass die Verpflegungsqualität für die Bewohnenden über die reine Produktion hinaus von einer Reihe weiterer Faktoren abhängt, die die Küche berücksichtigen muss. Die Heranführung an ein systemisches Denken spielt deshalb im Lehrgang von Artiset Weiterbildung zum Koch oder zur Köchin in sozialen Institutionen eine wichtige Rolle. Es gilt sich bewusst zu machen, dass alles, was in der Küche geschieht, in einer Wechselwirkung mit etwas anderem steht. Wir müssen wegkommen von einem reinen Input-Output-Denken und offen sein für verschiedene Szenarien, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten werden. Sie betonen die Notwendigkeit, in steter Kommunikation mit allen involvierten Berufsgruppen auf die täglich sich ändernden Bedürfnisse zu reagieren. Wo sehen Sie weitere wichtige Erfolgsfaktoren? Ganz zentral ist eine Angebotsplanung, die sich an den spezifischen Bedürfnissen der Bewohnenden orientiert. Zum einen ist hier die Versorgung mit den richtigen Nährstoffen zu erwähnen. Bei Menschen im Alter und ganz besonders bei Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen gibt es hier immer wieder andere Anforderungen. Zum anderen muss auch die Angebotsauswahl stimmen, hinzu kommen auf die Bedürfnisse ausgerichtete Essenszeiten und die Art und Weise, wie das Essen serviert wird. Um eine solche auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtete Angebotsplanung machen zu können, braucht es zudem eine professionalisierte und rationelle Produktion der Mahlzeiten. Die Technologie in diesem Bereich schreitet rasant voran. All diese Anforderungen zu erfüllen, stelle ich mir sehr anspruchsvoll vor… Wenn man den Beruf als Koch oder Köchin einer sozialen Institution ernst nimmt, dann hat das viel mit Spitzengastronomie zu tun. Im Unterschied zur klassischen Gastronomie zeichnet sich die Spitzengastronomie in einer Institution aber nicht durch ein von Konkurrenz geprägtes Leistungsdenken und hierarchische Strukturen aus. Für die Spitzengastronomie im Heim braucht es vielmehr Herz, Kopf und Lebensfreude. Spitzengastronomie in einer sozialen Institution: Können Sie das noch etwas konkretisieren? In der Heimgastronomie geht es nicht um exzentrische Konzepte, möglichst teure Produkte oder ausgeklügelte Sensorikerlebnisse. Spitzengastronomie im Heim ist Ernährungswissen vor dem Hintergrund einer bewohnerzentrierten Haltung sowie ein interdisziplinäres Lösungsverständnis. Der Kochberuf in einer sozialen Institution «Spitzengastronomie im Heim ist Ernährungswissen vor dem Hintergrund einer bewohnerzentrierten Haltung sowie ein interdisziplinäres Lösungsverständnis.» Christoph Roos Weitere Informationen zum Lehrgang von Artiset Bildung finden Sie hier: LEHRGANG KOCH / KÖCHIN IN SOZIALEN INSTITUTIONEN Der Lehrgang von Artiset Bildung ist eine Fachvertiefung für Verpflegungsspezialisten aus sozialen Institutionen. Er sensibilisiert für ein differenziertes Verständnis der Bedürfnisse von Bewohnenden. Kenntnisse über deren Lebenssituationen sind von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, mit Essen und Trinken einen Ausgleich zum oft beschwerlichen Alltag zu schaffen. Die Schwerpunkte des Branchenzertifikats Koch/Köchin in sozialen Institutionen erweitern das klassische Berufsbild. Vertieft werden Kompetenzen in Ernährungsfragen sowie Themen aus sozialer und kommunikativer Perspektive. Ferner spielen die ökonomischen Parameter im Rahmen der vernetzten Betriebsorganisation eine bedeutende Rolle. Der Lehrgang richtet sich an ausgebildete Köchinnen und Köche. Er dauert 21 Tage und wird wiederum vom August 2024 bis Juli 2025 durchgeführt. fordert überdurchschnittlich viel Herzenskompetenzen. Damit die Qualität für die Bewohnenden stimmt, braucht es Tag für Tag ein Suchen und Finden, viel Austausch und Gespür. Good-Gastronomie-Practice in einer sozialen Institution setzt also ein hohes Mass an fachlichen und menschlichen Fähigkeiten voraus. Ein umfassenderes und sinnstiftenderes Entwicklungsfeld für Köchinnen und Köche gibt es nicht.

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