Gesund und lustvoll essen Magazin ARTISET 1-2024

ARTISET 01/02 I 2024 41 Bei den meisten Betroffenen konnten die Neuroleptika dauerhaft stark reduziert oder abgesetzt werden. Und die Pflege wurde hochwertiger und befriedigender für die Pflegenden. können die Teams dann mithilfe eines Fokusgesprächs die mutmasslichen Basalbedürfnisse der Bewohnenden erkennen. Solche Bedürfnisse und triggernde Situationen wurden für die Toolbox in zehn Gruppen zusammengefasst und mit den zehn zentralen Lebensthemen der basalen Stimulation betitelt. Zentrale Lebensthemen entstehen aus den Erfahrungen, Prägungen und Werten, die ein Mensch mit der Zeit sammelt und die ihn ausmachen. Beim Fokusgespräch wird mit Hilfe der zentralen Lebensthemen der Rahmen für die individuelle Pflegeplanung der Bewohnenden erstellt. Wenn nun beispielsweise bei einer Bewohnerin das zentrale Lebensthema «Sicherheit erleben und Vertrauen aufbauen» heisst, dann sollen sämtliche Pflege- und Betreuungsmassnahmen unter diesem Motto stehen. Es wird individuell auf die Person hin geplant und festgelegt, wie die Beziehung zum Beispiel während der morgendlichen Körperpflege von allen im Team gestaltet werden soll. Pflegebeziehung gestalten Durch die Tools wird deutlich und auch entsprechend festgehalten, wodurch die betreffende Bewohnerin während der Pflege stark verunsichert wird. Dies können nicht nachvollziehbare Abläufe, nicht vertraute Gegenstände, Personen oder deren Verhaltensweisen und Äusserungen sein. Ausserdem verstehen die Teammitglieder, wie sie ganz spezifisch Vertrauen aufbauen und Sicherheit vermitteln können. Oder durch welche Ansprache und Vorgehensweisen sich die Bewohnerin sicher und orientiert fühlt. Die Arbeit mit der Toolbox ermöglicht die personenzentrierte Pflege respektive wodurch und wann die Person mit einer Demenz sich mit ihrem Basalbedürfnis und in ihrer Not deutlich gehört, verstanden und angenommen fühlt. Es ist, wie sich auch im Geva-Projekt gezeigt hat, gar nicht so bedeutend, was die Pflegenden genau tun. Viel wichtiger ist es, wie sie die Beziehung dabei gestalten. Wenn die Pflegenden die Bewohnerin wirklich kennen, dann verstehen sie, was diese «notgedrungen» zum Ausdruck bringen müssen. Aufgrund der verstehenden Haltung fühlen sich die Pflegenden von Bewohnenden, die ein herausforderndes Verhalten zeigen, nicht mehr provoziert und angegriffen. Das Verhalten der betreffenden Bewohnenden kann dann als ein verzweifelter Hilferuf verstanden werden. Die Pflegenden müssen nicht mehr mit den Betroffenen kämpfen, sondern können helfen. Sie vermitteln der Person mit starken kognitiven Einschränkungen deutlich spürbar Wertschätzung. Diese Art Wertschätzung ist essenziell für Menschen mit starken kognitiven Beeinträchtigungen. Andernfalls fühlen sie sich persönlich verletzt und angegriffen. Häufig geschieht dies innerhalb von Basispflegesituationen. Basispflegesituationen sind alle Pflegemassnahmen im Bett, im Bad und auf dem Weg dazwischen. Ausserdem gehört die Unterstützung beim Essen und Trinken dazu. Die Art und Weise der Beziehungsgestaltung und Wertschätzung innerhalb dieser Pflegesituationen bildet die Basis für das Selbstbewusstsein respektive das Selbstverständnis als Person der Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Im Rahmen der Geva-Schulungen wurde gerade auch den Pflegeassistentinnen Sinn und Zweck der Arbeit mit den verschiedenen Instrumenten deutlich. Die Auswertungen des Projektes ergaben, dass jeweils das gesamte Team profitiert hat. Die Bewohnenden, die vorher als aggressiv eingestuft und mit Neuroleptika versorgt worden waren, erschienen den Pflegenden innerhalb der gleichen Pflegemassnahmen anschliessend als «ausgewechselt» und als «anderer Mensch». Bei den meisten Betroffenen konnten die Neuroleptika dauerhaft stark reduziert oder abgesetzt werden. Und ganz wichtig in Zeiten des Personalmangels: Die Pflege wurde nicht aufwendiger, dafür aber hochwertiger und befriedigender für die Pflegenden. * Ansgar Schürenberg ist Pflegeexperte mit Masterabschluss. Er arbeitet am Demenzkompetenz-Zentrum Passwang in Breitenbach SO. INHOUSE-SCHULUNGEN Die vierteilige Schulung dauert jeweils zwei Stunden und wird ab Sommer 2024 als Inhouse-Schulung von Curaviva BL/BS angeboten. Ausserdem werden in Basel-Stadt oder Basel-Land Fachverantwortliche für die Verstehenshypothese Geva (=gehört, verstanden und angenommen) in einer zweitägigen Schulung ausgebildet. Diese können anschliessend die entsprechenden Fokusgespräche in ihren Einrichtungen leiten und selber Inhouse-Schulungen durchführen. Kontakt: Niklas Hug (Curaviva Basel Stadt) N.Hug@adullam.ch

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