Magazin ARTISET_9-2022_Politische Partizipation

ARTISET 09 I 2022 45 und Enkelkinder. Die Familie steht jedoch nicht immer zur Verfügung, und ältere Menschen wollen nicht unbedingt von ihren Angehörigen abhängig sein. Die Folge: Manche Seniorinnen und Senioren sind isoliert. Nehmen wir als Beispiel die Einzahlungen. Wenn es der betagten Person nicht gelingt, ihre Rechnungen via E-Banking zu bezahlen, geht sie an den Bankschalter, was aber Zusatzkosten verursacht. Aus Gründen der Gerechtigkeit darf es nicht sein, dass ältere Menschen mehr bezahlen müssen. Und aus psychologischer Sicht führt dies zu einem Verlust an Selbstvertrauen. Welches sind die grössten Herausforderungen für eine bedarfsgerechte Begleitung? Die grösste Herausforderung ist, den heterogenen Bedürfnissen der Seniorinnen und Senioren gerecht zu werden, da die finanziellen Ressourcen und die Mobilität von Fall zu Fall stark variieren. Zudem geht es nicht nur um eine technologische, sondern auch um eine zwischenmenschliche Begleitung. Bis heute vereinigt kein Berufsprofil diese beiden Aspekte. Für Personen im Pflegebereich und im Sozialwesen muss die Ausbildung deshalb technischer werden und für die technischen Berufsprofile mehr in Richtung Soziales oder Gerontologie gehen. Eine zusätzliche Herausforderung ist die Einstellung.Wir dürfen uns nicht auf die Defizite beschränken, sondern müssen vor allem die Autonomie der Menschen im Alter fördern und ihr Potenzial ausschöpfen. Welche Lehren ziehen Sie aus der Studie? Es gibt ziemlich viele Unterstützungsinitiativen, aber keine Gesamtübersicht. Informatikkurse gibt es zwar, aber kein Internetportal listet alle Angebote auf. Zudem beziehen sich die angebotenen Leistungen mehrheitlich auf Informations- und Kommunikationstechnologien und weniger auf Fernversorgungssysteme, die Nutzung von Online-Verwaltungsdienstleistungen oder gar E-Banking. Was braucht es, um die Lücken zu schliessen? Die Wahrnehmung der Gesellschaft gegenüber Menschen im Alter muss sich ändern. Viele Unternehmen betrachten Seniorinnen und Senioren als wenig flexible Kundinnen und Kunden und meiden deshalb zusätzliche Kosten. Das Alter allein ist aber nicht mehr aussagekräftig. Dementsprechend braucht es bessere Kenntnisse darüber, wer die Menschen im Alter wirklich sind. Mit 90 Jahren kann man noch sehr gut in Form sein, aber auch mit 65 Jahren bereits unter grösseren Gesundheitsproblemen leiden. Eine Sensibilisierung der Unternehmen wäre deshalb wichtig. Die Menschen im Alter stehen unter Druck, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dies muss bei den Lösungsvorschlägen berücksichtigt werden. Manche Personen sind Änderungen gegenüber abgeneigt, da sie den Eindruck haben, dass man sie dazu zwingt. Erklärt man ihnen jedoch den Mehrwert im Alltag, ändern sie vielleicht ihre Meinung. Die Öffentlichkeitsarbeit ist deshalb entscheidend. «Wir dürfen uns nicht auf die Defizite beschränken, sondern müssen vor allem die Autonomie der Menschen im Alter fördern und ihr Potenzial ausschöpfen.» Delphine Roulet Schwab «Ältere Menschen wollen nicht unbedingt von ihren Angehörigen abhängig sein», beobachtet Delphine Roulet Schwab, Professorin an der Haute Ecole de la Santé La Source in Lausanne. Foto: Hélène Tobler

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