Erfahrungen teilen

ARTISET 12 I 2022 37 Dienstleistungen anbieten, die Probleme lösen können. Das wiederum braucht eine betriebliche Kultur, in der solche Ansätze gestützt werden. Daran fehlt es zumTeil noch.» Ein Arbeitgeber könne zum Beispiel finanzielle Unterstützung anbieten, damit verschiedene Ansprüche unter einen Hut gebracht werden können. Fabian Leuthold sagt: «Es fehlt oft am Mut, man scheut das Risiko, dass es eventuell nicht funktioniert. Wir raten: Macht einen Versuch! Wenn er sich nicht bewährt: Anpassen! Manchmal erreicht man das Ziel nicht mit einem grossen, sondern in kleinen Schritten.» «Vereinbarkeit betrifft alle» Die Fachstelle UND, für die Fabian Leuthold spricht, fördert seit über 25 Jahren die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ebenso setzt sie sich für die Gleichstellung auf individueller, betrieblicher und gesellschaftlicher Ebene ein und gilt als schweizweit führendes Kompetenzzentrum für dieses Thema. Ein Katalog gibt vor, was den Vereinbarkeitskriterien entspricht. Perfekt ist kein Betrieb – auch das KZU nicht. Aber die Pflegeinstitution im Zürcher Unterland hat schon vieles erfüllt, was der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben förderlich ist. Die Leiterin Personalentwicklung Marianne Niederer sagt: «Wir haben zum Beispiel in den letzten Jahren sukzessive die Möglichkeiten ausgebaut, dass Leute bei uns arbeiten können, die einen Angehörigen pflegen. Das ist noch nicht sehr lange ein Thema in den Unternehmungen.» Fabian Leuthold von der Fachstelle UND sagt: «Vereinbarkeit betrifft alle, denn alle haben ein Privatleben. Es muss also bei der Vereinbarkeit auch um Freizeitgestaltung gehen. Es gibt durchaus legitime Gründe, hier Vereinbarkeitsleistungen einzufordern. Es geht uns darum, dass Menschen ihr Lebensmodell umsetzen können. Dass sie so leben können, wie es zu ihnen passt, und dass es für sie stimmt und sie dadurch gesund und zufrieden sind.» Für ein gutes Betriebsklima sorgen Tatsächlich sind es auch die betriebsklimatischen Gegebenheiten, die einer gesunden Work-Life-Balance entgegenkommen. Das hat auch André Müller im KZU festgestellt: «Der Lohn muss stimmen. Das ist schon einmal ganz wichtig. Da wir im Unterland nicht dieselben Löhne zahlen können wie die Institutionen in der Stadt Zürich, können wir nicht anders, als den Männern und Frauen dafür Bedingungen zu bieten, die das KZU als Arbeitsort attraktiv machen.» So ist im KZU das interne und externe Weiterbildungsangebot breitgefächert, es gibt zusätzliche Ferienwochen, Mutter- und Vaterschaftsurlaub gehen über das gesetzlich vorgeschriebene Minimum hinaus, oder im Haus selbst kommen die Angestellten in den Genuss von Gratis-Physiotherapie-Sprechstunden. «Wir sind da einiges grosszügiger als andere Unternehmen», sagt Müller. «Zwar ist die Arbeitszeitverkürzung, wie sie anderswo realisiert wurde, bei uns kein Thema. Aber wir streichen keine Pausen und auch keine Nachtzulagen.» Das KZU sei zwar für die Menschen da, die Pflege und Betreuung brauchen. «Aber auch die Mitarbeitenden brauchen uns. Wir wollen sie individuell ernst nehmen und im Zusammenspiel Betroffene – Vorgesetzte – Personalabteilung und Unternehmen das Optimum erreichen.» Ein ernstes gesellschaftspolitisches Anliegen Fabian Leuthold von der Fachstelle UND hat wie André Müller festgestellt, dass eine gute Work-Life-Balance in den letzten Jahren immer mehr zum gesellschaftlichen Thema geworden ist: «Es ist medial und auch politisch präsent. Es gibt mehr Debatten um Vereinbarkeitsthemen, mehr Massnahmen, zum Beispiel den gesetzlich verankerten Vaterschaftsurlaub. Dass das Thema mehr Priorität bekommen hat, hat auch mit gesellschaftspolitischen Anliegen zu tun, dass Frauen in allen Branchen zu einem – ich sage es einmal in einer betriebswirtschaftlichen Sprache – wichtigen ‹Humankapital› geworden sind. Da kommt man an der Vereinbarkeit nicht vorbei.» Letztlich, sagt der Vereinbarkeitsfachmann Leuthold, seien vereinbarkeitsfreundliche Unternehmen ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft: «Diese Unternehmen können etwas dafür tun, dass wir eine gesunde, funktionierende Gesellschaft haben. Und es gibt für die Unternehmen auch monetäre Gründe: Es gibt weniger Fluktuationen, das senkt die Personalrekrutierungskosten. Man hat weniger Krankentage, weil Menschen gesünder sind, weniger Stress und weniger organisatorische Probleme haben, etwa wenn Kinder krank sind. Die Mitarbeitenden sind zufriedener und deshalb motivierter und werden so zu Botschaftern und Botschafterinnen des Unternehmens, für das sie arbeiten. Zudem kann das Know-how im Betrieb behalten werden, und man hat ein vielfältiges Know-how, wenn Menschen mit unterschiedlichen Lebenshintergründen in einemUnternehmen arbeiten. Und schliesslich bringt Diversität einem Unternehmen auch mehr Innovationskraft.» André Müller vom KZU bringt es kurz und knapp auf den Punkt: «Dass die Leute gerne bei uns arbeiten, beweist, dass wir auf dem richtigen Weg sind.» Aktuell

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