Bedürfnisgerecht bauen

ARTISET 03 I 2023 13 Die wenigsten Jugendlichen wohnen freiwillig in einer Institution, das ist Gesamtleiter Werner Kuster klar. Die Aussenwohngruppe Hagenbuch des Schulheims Elgg ZH ist aber von Form über Material bis Farben bis ins letzte Detail so geplant, dass sich die Jugendlichen wohlfühlen und ihren Raum finden können. Von Claudia Weiss Am Anfang stand ein Modellhaus, eine Idee, wie ein Wohnhaus für Jugendliche im Idealfall aussehen könnte. Architekt Ruedi Zehnder strahlt, als er den gezeichneten Modellentwurf erklärt. Kurz darauf steht er vor der Aussenwohngruppe Hagenbuch des Schulheims Elgg, zeigt auf das Haus neben dem riesigen alten Nussbaum und sagt: «Mit diesem Neubau kamen wir so nah an das Idealmodell, wie man überhaupt kommen kann aufgrund der Gegebenheiten des Grundstücks oder der Bauvorschriften.» Den Nussbaum hat er bewusst als Kraftbaum in die Planung integriert, um ihn herum bildet das Gebäude einen Winkel mit zwei Innenhöfen zum Grillieren, Verweilen und Tischtennisspielen. Zehnder zeigt auf den freundlichen, mit Zelluloseflocken und Schafwolle isolierten Holzbau mit dem Satteldach, das von der Gemeinde vorgeschrieben wurde: Sämtliche Baumaterialien sind baubiologisch ausgeklügelt so gewählt, dass sie kein «Barackenfeeling», sondern ein freundliches, ausgleichendes Klima erzeugen. Das sei wichtig, erklärt Werner Kuster, Gesamtleiter Schulheim Elgg: «Viele Jugendliche sind sehr sensitiv, etliche leiden unter Allergien.» Die grüne Fassadenfarbe, das «Schulheim-Elgg-Grün», wurde auch passend zur angrenzenden Landwirtschaft ausgewählt, und die Holzsprossen sollten der Fassade bewusst etwas Spielerisches verleihen und zeigen, dass hier junge Menschen wohnen. Tatsächlich zeigt sich mit jedem Schritt: An diesem Haus ist alles minutiös durchdacht. Architekt Zehnder und Gesamtschulleiter Kuster haben sich von der Dachspitze bis zu den Kellerräumen überlegt, mit welchen Farben, Formen und Materialien sie Leichtigkeit hineinbringen und den bis zu zehn Jugendlichen ein angenehmes, stressarmes Zusammenleben ermöglichen. Geholfen bei der Planung, erzählt Werner Kuster, habe nicht zuletzt das ehemalige Wohngruppenhaus: Es war in einem Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert untergebracht und sorgte mit engen Treppen, tiefen Decken, zu kleinen Doppelzimmern und zu wenigen Nasszellen für viel Stress. In den 15 Jahren als Gesamtschulleiter hat Kuster deutlich gesehen, was bei den Jugendlichen gar nicht geht: Doppelzimmer beispielsweise seien sowieso unzeitgemäss, erst recht für Jugendliche, die ja nicht einmal Geschwister seien. «Einzelzimmer und genügend Nasszellen wirken ausserdem präventiv gegen Übergriffe.» Die breite Eichentreppe erdet Architekt Zehnder nickt. «Das schlechte Beispiel hat uns weitergeführt», sagt er. Sehr schnell sei beispielsweise klar gewesen, dass eine zu enge Treppe schon beim Hereinkommen für Stress sorgt, weil dort der Stärkere bestimmt, wer durchgehen darf. In Hagenbuch bildet daher eine breite, solide Eichentreppe das Herzstück des Hauses, sie geht wie ein Baumstamm vom Keller bis in den zweiten Stock durch das ganze Haus. «Eiche erdet», erklärt Architekt Zehnder. Ein Zeichnerlehrling entwarf das hübsche, blattartige Muster in der Holzseitenwand, das Licht durchlässt. Rennen mehrere Jugendliche auf der Treppe rauf und runter, sagt Sozialpädagoge Georg Häusler, erzeuge das zwar einen ziemlichen Lärm. «Insgesamt merke ich aber durch die grosszügige Raumaufteilung eine deutliche Entspannung unter den Jugendlichen.» Gleich hinter dem Eingang befindet sich eine grosse Garderobe mit genügend Platz, etwas weiter die geräumige Küche und der Essraum, alle mit grossen, bis zum Boden reichenden Fenstern. Die hellen Eschentische lassen sich

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