Bedürfnisgerecht bauen

ARTISET 03 I 2023 31 Im Fokus Um eine möglichst hohe soziale Durchmischung sicherzustellen, erfolgt die Vergabe der Wohnungen nach bestimmten Kriterien, zentral sind dabei eine maximale Einkommens- und Vermögensgrenze. Verantwortung übernehmen «Seit einigen Jahren werden in der Schweiz Wohnbauprojekte ganzheitlicher gedacht und beziehen umwelt- und sozialpolitische Aspekte mit ein», stellt Raphael Burkhalter fest. Eine Entwicklung, die besonders im gemeinnützigen Wohnungsbau zu beobachten ist. Die Firma Halter engagiere sich, wie Burkhalter betont, für zukunftsweisende, innovative Projekte. Die Entwicklungsgenossenschaft «Wir sind Stadtgarten» sei gegründet worden, um solche Projekte mitzugestalten. Die Immobilien sollen aber nicht im Besitz von «Wir sind Stadtgarten» bleiben. Deshalb unterstütze man den Aufbau von Wohnbaugenossenschaften wie die WBG Huebergass. «Gerade kleine Genossenschaften können so vom Know-how einer Bauentwicklungsfirma profitieren», meint Burkhalter. «Für sie ist es sehr schwierig, solche Projekte allein zu stemmen.» Die Selbstverwaltung der Siedlung, die sehr günstige Mieten ermöglicht, sowie das Zusammenleben in einer sozial vielfältigen Gemeinschaft stellen hohe Anforderungen an die Genossenschafterinnen und Genossenschafter. Sie müssen bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und sich für ein Miteinander zu engagieren. Mit der architektonischen Gestaltung der «Huebergass» habe man denn auch ganz bewusst das Ziel verfolgt, zu Partizipation und Teilnahme an der Gemeinschaft anzuregen, sagt Burkhalter. Man habe den sozialräumlichen Aspekt «besonders aufgeladen» – so die Formulierung des Bauentwicklungsexperten. Dazu gehörte auch, dass die Entwicklungsgenossenschaft «Wir sind Stadtgarten» gemeinsammit der neu gegründeten WBG Huebergass lange vor dem Bezug der Wohnungen erste, für die Selbstverwaltung nötige Strukturen geschaffen und die Arbeit gestartet hat. Sukzessive haben dann die Genossenschafterinnen und Genossenschafter selbst die Strukturen weiter ausgebaut und differenziert. Bestanden die genossenschaftlichen Strukturen der WBG Huebergass beim Einzug der Bewohnenden im April 2021 im Wesentlichen aus einem Vorstand und der Generalversammlung, gibt es heute zusätzlich mehrere Kommissionen sowie eine ganze Reihe von Arbeitsgruppen und zudem das «Hueberforum», eine monatliche Plattform, wo Bewohnerinnen und Bewohner ihre Anliegen einbringen können. Mithilfe dieser Gremien kommen die Genossenschafterinnen und Genossenschafter den vielfältigen Verwaltungsaufgaben nach. Zentral ist die Moderation des Zusammenlebens, der sich ganz besonders auch Lynn Frank als Mitglied des WBG-Vorstands und anderer Gremien widmet. «Das aktive Miteinander von unterschiedlichen Menschen und die gegenseitige Hilfe waren wesentliche Gründe, weshalb wir uns für eine Wohnung in der Huebergass interessiert haben», sagt sie. Lynn Frank und ihr Partner haben zwei kleine Kinder, gehen beide in einem Teilzeitpensum einer Erwerbsarbeit nach und engagieren sich in ihrer Freizeit für die WBG. Die ausgebildete Sozialarbeiterin bezeichnet es als ein «grosses Anliegen» der WBG, gerade auch die Untermieterinnen und Untermieter in den Wohnungen der sozialen Institutionen in die Gemeinschaft zu integrieren. In der ersten Zeit nach dem Bezug der Wohnungen im April 2021 war das – trotz einer sozial affinen Gemeinschaft – gar nicht so einfach. «Wir mussten uns alle erst finden. Die vielen Begegnungsräume bieten auch Konfliktpotenziale. Auch der Umgang mit Menschen aus den sozialen Institutionen war ungeklärt und führte bei einigen zu Unsicherheiten.» Das Zusammenleben moderieren Um die Hürden abzubauen, habe man im Rahmen des «Hueberforums» alle sozialen Institutionen eingeladen, sich und ihre Arbeit vorzustellen, die Genossenschafterinnen und Genossenschafter konnten Frage stellen. Darüber hinaus moderieren die Mitglieder der Arbeitsgruppe «Hueberkultur» bei auftretenden Konflikten im Alltag. Zudem findet halbjährlich ein Austausch zwischen den sozialen Institutionen, der «Hueberkultur» sowie Lynn Frank statt, der zuständigen Person im Vorstand. «Das Zusammenleben in einer diversen Gemeinschaft ist kein Selbstläufer, sondern muss moderiert werden.» Mittlerweile funktioniere das aber gut, stellt sie fest. «So wie bei allen Bewohnerinnen und Bewohnern gibt es Untermieterinnen und Untermieter, die sich stark mit der Huebergass identifizieren und an verschiedenen Aktivitäten oder Arbeitsgruppen mitmachen, andere ziehen sich eher zurück.» Lynn Frank legt grossen Wert auf soziale Durchmischung und Diversität. Eine Erhebung soll zeigen, wie gut dies gelingt. Sie vermutet, dass der Anteil von Personen im dritten Lebensabschnitt noch eher tief ist und auch der Anteil von Menschen, die trotz einer vollen Erwerbstätigkeit auf günstigen Wohnraum angewiesen sind, denen aber die Zeit und die Kraft fehlt, sich für die Gemeinschaft zu engagieren. «Das aktive Miteinander von unterschiedlichen Menschen und die gegenseitige Hilfe waren wesentliche Gründe, weshalb wir uns für eine Wohnung in der Huebergass interessiert haben.» Lynn Frank, Vorstandsmitglied der WBG Huebergass

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