Identität leben und gestalten | Magazin ARTISET | 3 2024

48 ARTISET 03 I 2024 mit einer Behinderung stehen, ohne dass es etwas Besonderes ist. Wir müssen bei diesem Thema grösser denken. Was heisst das? Wir wollen konsequent bei unseren Veranstaltungen und Aktivitäten die Inklusionsaspekte mitdenken und auch innerhalb der Migros-Gruppe unser Know-how teilen und dabei die Grenzen immer mehr ausweiten. Wir möchten in der Gesellschaft etwas Grundlegendes verändern. Es soll alles inklusiver werden. Wir möchten mit unseren Bemühungen der Stein sein, der im Wasser Kreise zieht. Unter dem Dach des Kulturprozents versammeln sich ganz unterschiedliche Engagements. Wie gestaltet sich da die Inklusion konkret? Wir möchten intern gewisse Standards in alle Projekte bringen. Wir sind daran, eine Art Inklusions-Wikipedia aufzubauen, wo alles Know-how zum Thema gesammelt wird. Wir verstehen uns in diesem Sinne als nationales Kompetenzzentrum. M4Music zum Beispiel hat andere Ansätze für die Umsetzung der Inklusion als Steps. Barrierefrei heisst bei Musik etwas anderes als bei Tanz. Im Migros Museum für Gegenwartskunst gestalten sich die Herausforderungen noch einmal anders, weil dort das Gebäude selbst eine grosse Rolle spielt. Wie funktioniert die Kommunikation, wie die Vermittlung? In wie vielen Sprachen gibt es Führungen? Und wenn in Gebärdensprache: in welcher? Arbeiten Sie beim Thema Inklusion auch mit Partnern zusammen, oder stemmen Sie alles intern? Wir sind mit unterschiedlichen Interessengruppen im Austausch. Wir wollen mit ihnen nicht konkurrenzieren, sondern suchen Synergien. Beispielhaft dafür steht etwa unsere Zusammenarbeit mit dem Theater HORA oder der Leitfaden für inklusive Kultur der Fachstelle Kultur inklusiv und Sensability, an dem wir mitgearbeitet haben. Oder das Netzwerkprojekt IntegrART des Migros-Kulturprozents. Hier fördern wir seit 2007 inklusive Bühnenkunst. Wir arbeiten aber auch immer mit Selbstvertretern und -innen zusammen, etwa mit Fachpersonen von Sensability, die uns nicht nur beraten, sondern über mögliche Massnahmen auch aktiv mitentscheiden. Schliesslich liegt es im Kern der Inklusion, dass wir mit den Menschen reden, nicht über sie. Dass wir nicht nur zuhören, sondern auch dazulernen und gemeinsam handeln. Die Tänzer Sidi Larbi Cherkaoui und Marc Brew (im Bild) erforschen mit Bewegung, Video und Text, was es bedeutet, wenn im Leben alles kopfsteht. Die Ausgabe 2024 läuft vom 24. April bis zum 19. Mai. Infos und Tickets: ➞ steps.ch Massnahmen, diskutieren sie mit dem Team und setzen sie zusammen im Team um. Inklusion vor, auf, hinter der Bühne – ein hoher Anspruch. Wie will das Migros-Kulturprozent das realisieren? Mira Song, Leiterin Kultur bei der Direktion Gesellschaft und Kultur, möchte das Thema in einem grösseren gesellschaftlichen Rahmen verankern. «Wir wollen Inklusion grösser denken. Rund 20 Prozent der Menschen in der Schweiz leben mit irgendeiner Art von Beeinträchtigung. Also ist Inklusion gesellschaftlich relevant.» Mira Song, bei Steps betreffen die Massnahmen zur Inklusion vor allem Menschen im Rollstuhl oder mit einer Hörbehinderung. Was tut das Kulturprozent sonst noch, um die Inklusion zu fördern? Wenn wir Inklusion grösser denken wollen, müssen wir versuchen, gewisse Denkmuster aufzubrechen. Wenn etwas positiv ist für einen Menschen im Rollstuhl, hat das auch Vorteile für Eltern mit einem Kinderwagen oder für Leute, die auf Gehhilfen oder einen Rollator angewiesen sind. Von der zusätzlichen Unterstützung, die wir an unseren Veranstaltungen für Menschen mit einer Gehörbehinderung anbieten, können auch Menschen profitieren, die nicht mehr so gut hören. Wir sollten nicht versuchen, für alles eine Schublade, ein spezielles Label zu finden – das bringt die Inklusion nicht voran. Als längerfristiges Ziel sollten in den Spielplänen Stücke mit Menschen «Uns gefällt, dass es eine sehr persönliche Geschichte ist, die aber gleichzeitig eine allgemeine Relevanz hat.» Valeria Felder, Festivalleiterin von Steps

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