Soziale Unernehmen im Wandel | Magazin ARTISET | 9-2023

ARTISET 09 I 2023 25 EIN WERDEGANG BEIM «MEHRWERK» Daniel Droco, 31, arbeitet seit fast 15 Jahren im Werkheim Uster, seit der Eröffnung Ende November 2021 im «Mehrwerk». Droco arbeitete zuerst im zweiten Stock, wo die Mitarbeitenden in sorgfältiger Handarbeit Nagelbriden fertigen, aus Restholz, WC-­ Papierrollen, Wachsresten und Dochten die Anzündhilfen K-Lumet herstellen sowie verschiedene Verpackungs- und Montagearbeiten erledigen. Hier hat sich Daniel Droco durch alle Angebote gearbeitet und unter anderem bunte Yogakissen abgefüllt, bezogen und zur Auslieferung bereitgestellt. Sicher führt er durch alle Stationen und erklärt die diversen Arbeiten: Im grossen Raum nebenan werden Auslösespulen gepresst, gewickelt und gelötet, und am Ende werden sie sorgfältig getestet. «Wenn eine nicht funktioniert, müssen sofort alle suchen helfen, woran es liegen könnte», erklärt Droco. Er geht weiter und deutet auf ein kleines Büro: «Hier ist sozusagen der Raum für kreative Besprechungen – hier treffen sich Fachpersonen und Mitarbeitende, um miteinander zu schauen, ob jemand noch zufrieden ist mit seiner Arbeit, und wie es weitergeht.» Er selbst sass vor anderthalb Jahren ebenfalls in einem solchen Gespräch. Dabei zeigte sich, dass er inzwischen alle Abläufe so gut kennt, dass eine neue Herausforderung angesagt ist. Seither arbeitet Daniel Droco in der Gruppe Mechanik, die im Parterre, hinter dem Empfang und neben dem Recyclingraum, untergebracht ist. Und dort ist Droco sichtbar im Element: Hier der Laser-Gravierer, mit dem Materialien wie Aluminium beschriftet werden können, dort die CNC-Dreh- und Fräsmaschinen oder die Vertikalkreissäge. Er selber arbeite noch nicht mit allen Maschinen, sagt er, sie seien teils sehr komplex. Aber er freut sich schon auf jeden neuen Schritt, den er lernen kann. Ob er eines Tages wieder im Kreativbüro sitzen und einen inklusiven Arbeitsplatz bei einer externen Firma anvisieren wird, weiss er noch nicht. Im Moment ist ihm das auch nicht wichtig: «In der Mechanik habe ich so viele spannende Aufgaben, hier gefällt es mir bestens!» führt, arbeitet seit anderthalb Jahren in der Mechanik. Die Arbeit mit den uns wichtig, Ideen und Überlegungen aus ihrer spezifischen Sicht einzubeziehen», sagt er. So habe erst eine solche Rückmeldung klargemacht, wie unangenehm das vorherige Dokumentationssystem für Mitarbeitende war, die auch im Werkheim wohnen, weil die Fachpersonen des Wohn- und Arbeitsbereichs jeweils alles einsehen konnten. «Bitte trennt das», wünschte ein Mitarbeiter: «Ich möchte nicht, dass immer alle schon wissen, was im Wohnen oder beim Arbeiten gelaufen ist!» Für Stark zeigt dieses Beispiel, wie wichtig es ist, alle Stimmen zu hören. Arbeitseinsätze sind sehr flexibel gestaltbar Rund ein Viertel der 80 Mitarbeitenden im Mehrwerk kann aktuell im Sinne der Inklusion stunden- oder tageweise bei einer Firma mitarbeiten. Berufliche Massnahmen und Ausbildung werden von der IV finanziert, die integrativen Arbeitsplätze vom Kanton. Entwicklungscoaches des Werkheims – meist Fachpersonen aus der Arbeitsagogik mit Freude an dieser Arbeit – begleiten die Mitarbeitenden auf dem Weg in die Integration. «Alle Schritte vom geschütztem Arbeitsplatz bis zu einzelnen oder dauerhaften integrativen Arbeitseinsätzen in einer Firma sind sehr durchlässig und flexibel gestaltbar», erklärt der Verantwortliche Betriebe Daniel Dietrich. Eine grosse Herausforderung sieht er momentan noch beim Schritt in den regulären Arbeitsmarkt: «Eine vollständige Integration gelingt nur wenigen Mitarbeitenden.» So ein Schritt müsse gut überlegt und begleitet sein, weil das Risiko einer Überforderung gross sei und die Unterstützung durch die IV wegfalle, wenn sie sich zurückziehe. Das, hofft er, «wird sich jedoch künftig hoffentlich noch verbessern». Dann könnten die Fachpersonen des Werkheims noch stärker an der neuen Haltung der Mitarbeitenden arbeiten und ihnen mit der Ermunterung «Du hast mehr Potenzial, du kannst mehr!» immer mehr Teilhabe auch im regulären Arbeitsmarkt ermöglichen. Mechanik-Mitarbeiter Daniel Droco ist inzwischen zum Ende seiner Führung gekommen. Stolz liest er die letzte Seite aus seinen Führungsunterlagen vor: «Mehrwerk heisst mehr Zusammenarbeit, mehr Möglichkeiten, mehr Inklusion, mehr Selbständigkeit.» Er nickt und fragt höflich, ob noch Fragen sind, dann verabschiedet er sich: Zeit für das Mittagessen in der Cafeteria im obersten Stock, wo schon ein bunter Mix an Mitarbeitenden aus dem «Mehrwerk» und aus den eingemieteten Firmen an den Tischen sitzt.

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