Soziale Unernehmen im Wandel | Magazin ARTISET | 9-2023

ARTISET 09 I 2023 3 Editorial «Infolge von gesellschaftspolitischen Entwicklungen und Postulaten wachsen die Arbeitswelten von Menschen mit und ohne Behinderung immer mehr zusammen.» Elisabeth Seifert, Chefredaktorin Liebe Leserin, lieber Leser Wenn Sie an Betriebe denken, in denen auch Menschen mit Beeinträchtigungen unterschiedlicher Art arbeiten, haben Sie – vor allem wenn Sie sich nicht zu den Fachpersonen zählen – womöglich noch eine Terminologie in Kopf, die nicht mehr ganz zeitgemäss ist. Geläufig sind Begriffe wie «geschützter» oder «zweiter» Arbeitsmarkt. Und auf die einzelnen Betriebe bezogen, reden wir oft immer noch von «geschützten Werkstätten». Mit einer solchen Begrifflichkeit separieren wird die Arbeitswelten von Menschen mit und ohne Behinderung. Dies entspricht einer Realität, die seit einigen Jahren einen Wandel erfährt. Die IV zum Beispiel verfolgt den Grundsatz «Eingliederung vor Rente», auch die Sozialhilfe setzt auf die (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt. Und die UN-BRK fordert Teilhabe und Integration von Menschen mit Beeinträchtigung in einem sehr radikalen Sinn – bis hin zur Aufhebung sozialer Institutionen. Infolge dieser gesellschaftspolitischen Entwicklungen und Postulate wachsen die Arbeitswelten zusammen. Dies spiegelt sich in einer neuen Begrifflichkeit: Man spricht vom «allgemeinen» oder «regulären» und dem diesen «ergänzenden» Arbeitsmarkt. Und dessen Betriebe verstehen sich als Integrationsbetriebe, soziale Unternehmen oder soziale Unternehmen der beruflichen Teilhabe und Integration. Damit aber verändern sich die Herausforderungen an die Unternehmen sowohl des ergänzenden als auch des allgemeinen Arbeitsmarkts: Die sozialen Unternehmen sind gefordert, sich dem Markt zu öffnen und Menschen mit Beeinträchtigung dabei zu unterstützen, sich den gestellten Anforderungen anzupassen. Und Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarkts stehen vor der Aufgabe, Menschen mit ungewohnten Fähigkeiten und Kompetenzen teilhaben zu lassen. Wie beide Seiten diese Herausforderungen meistern, zeigt auf eindrückliche und exemplarische Weise das Projekt «PostNetz Inklusion», das die Schweizerische Post in Kooperation mit dem Branchenverband Insos erarbeitet hat (Seite 6). Besonders beeindruckt mich, wie die ersten Erfahrungen gerade auch für die Post einen sozialen Gewinn erkennen lassen. Deutlich wird zudem, welche Bedeutung die sozialen Unternehmen respektive ihr Fachpersonal in der Begleitung von Menschen mit Behinderung weiterhin haben – und haben müssen. Im Interview mit dem Magazin erörtert Beni Brennwald, Gründer der Grundlagenwerk AG in Wangen bei Olten, denn auch die Perspektiven von Sozialunternehmen (Seite 10). Er appelliert dabei an deren Bereitschaft, gegenüber Firmen im allgemeinen Arbeitsmarkt – und auch gegenüber Behörden und Sozialversicherungen – die nötige «Übersetzungsarbeit» zu leisten. Gerade wenn Sie selbst ein Sozialunternehmen führen oder als Fachperson Menschen mit Behinderung begleiten, finden Sie womöglich spannende und nachahmenswerte Ansätze in unseren vier Porträts von Integrationsbetrieben aus der Romandie und der Deutschschweiz (Seiten 14, 18, 22, 26). Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie es selbst unter den gegebenen, nicht immer ganz einfachen Rahmenbedingungen schaffen, innovative Ansätze umzusetzen. Titelbild: Vom Aufbautraining zur Lehrstelle im allgemeinen Arbeitsmarkt: Tobias Huggenberger (links) und sein Praxisbegleiter Ruedi Gubler suchen gemeinsam nach Lösungen. Foto: Learco/Tibor Nad

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