Die Qualität der Pflege weiterentwickeln Magazin ARTISET 12

14 ARTISET 12 I 2023 Seit 2019 sind die Heime verpflichtet, die genannten sechs Indikatoren zu erheben und an die Bundesbehörden weiterzuleiten. Anfang 2024 werden die Daten erstmals veröffentlicht. Was soll damit erreicht werden? Domeisen: Die Heime unterstehen dem KVG, was die gesetzliche Pflicht mit sich bringt, dem Bund bestimmte Daten zu liefern, die dann veröffentlicht werden müssen. Seit Jahren bereits erheben die Institutionen ihre betrieblichen Daten, die jährlich in der Statistik der sozialmedizinischen Institutionen, kurz Somed-Statistik, veröffentlicht werden. Jetzt kommen die medizinischen Qualitätsindikatoren dazu. …und worin liegt der Zweck der Veröffentlichung? Domeisen: Es geht um die Herstellung von Transparenz. Das ist der einzige Zweck. Die Daten können und dürfen aber nicht dazu genutzt werden, um Ranglisten zu erstellen. Hanselmann: Die Veröffentlichung schafft Transparenz. Und zwar für die Bewohnenden, ihre Angehörigen, die Mitarbeitenden und die Finanzierer. Diese Transparenz fördert die Sensibilität und kann respektive soll zu einem kontinuierlichen Prozess der Qualitätsverbesserung beitragen. Domeisen: Es bestehen ja bereits Erfahrungen mit der Veröffentlichung der betrieblichen Daten in der Somed-Statistik. Wenn der Betrieb weiss, dass seine Daten veröffentlicht werden, dann wird er dafür sorgen, dass sich die Daten im Verlauf der Jahre zumindest nicht verschlechtern, sondern eher verbessern. Sie sagen, dass keine Ranglisten erstellt werden dürfen: Institutionen und Kantonen sind in den gemessenen Bereichen aber doch miteinander vergleichbar. Domeisen: Man kann die Daten von Institutionen und Kantonen in den gemessenen Bereichen miteinander vergleichen, da stimme ich zu. Um einen solchen Vergleich zu ermöglichen, werden bei der Berechnung der Indikatorwerte ja bestimmte Unterschiede in der Struktur der Bewohnenden und der Heime mitberücksichtigt, welche die Indikatorwerte zusätzlich beeinflussen. So zum Beispiel die Pflegeintensität oder auch die kognitive Leistungsfähigkeit der Bewohnenden. Dennoch muss man gerade mit wertenden Vergleichen sehr vorsichtig sein. …können Sie Ihre Skepsis gegenüber wertenden Vergleichen näher erläutern? Domeisen: Die Unterschiede in der Struktur der Bewohnenden und auch die betriebliche Situation einer Institution oder deren fachliche Spezialisierung kann bei der Berechnung der Indikatorwerte nie vollständig berücksichtigt werden. Es kann also gute Gründe geben, weshalb eine Institution scheinbar weniger gut abschneidet. Es scheint mir deshalb sehr wichtig, dass bei der Interpretation der Indikatorwerte immer auch die spezifische Situation eines Heims einbezogen wird und man keine vorschnellen Schlüsse zieht. Hanselmann: Aus besonders hohen Indikatorwerten einer Institution darf man zudem nicht auf eine grundsätzlich schlechte Pflegequalität schliessen, weil die Indikatoren ja nur einen bestimmten Ausschnitt messen. Gleichzeitig erhofft man sich aber aufgrund der Daten, zu einer nationalen Beurteilung der Qualität in den gemessenen Bereichen zu gelangen, basierend auf einheitlichen Prozessen und Messmethoden. Auf dieser Grundlage geht es dann darum, den Qualitätsverbesserungsprozess weiter voranzutreiben. Wie können die einzelnen Institutionen mit der Publikation ihrer Daten umgehen? Domeisen: Die Betriebe können die Ergebnisse als Marketinginstrument nutzen, zum Beispiel an Informationsveranstaltungen für Angehörige. Und zwar gerade auch dann, wenn die Werte im Vergleich mit anderen Institutionen weniger gut ausfallen. Die Verantwortlichen können die Werte im Detail erläutern, die Gründe für die Ergebnisse darlegen und ausführen, welche Massnahmen angedacht sind. Was braucht es, um diesen Qualitätsverbesserungsprozess auf nationaler Ebene verbindlich voranzutreiben? Domeisen: Ein Faktor sind hier die Qualitätsverträge, welche die Krankenversicherer mit allen Gruppen von Leistungserbringern abschliessen müssen. Die Verträge mit den Akutspitälern werden demnächst unter Dach und Fach sein. Und an zweiter Stelle sind dann wir dran, Curaviva und Senesuisse, die Verbände der stationären Langzeitpflege. Die ausgehandelten Verträge sind dann verbindlich für die einzelnen Leistungserbringer. Bedeutet das nicht wieder zusätzlichen Aufwand für die Branche, vor allem für die einzelnen Institutionen? Hanselmann: Die Institutionen erfüllen bereits etliche Anforderungen der Verträge, etwa die Erhebung der Qualitätsindikatoren. Zudem werden sie verpflichtet, nachweisbar an der Verbesserung ihrer Qualität zu arbeiten. Dazu gehört auch, dass sie über Qualitätsmanagementsysteme verfügen müssen. «Bei der Interpretation der Indikatorwerte muss immer auch die spezifische Situation eines Heims mit einbezogen werden, man darf keine vorschnellen Schlüsse ziehen.» Daniel Domeisen Im Fokus

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