Die Qualität der Pflege weiterentwickeln Magazin ARTISET 12

ARTISET 12 I 2023 17 Im Fokus Eine gemeinsame Vision der Pflegequalität vertreten, ein besseres Verständnis der aktuellen und zukünftigen medizinischen Qualitätsindikatoren (MQI) entwickeln und sich auf wissenschaftliche Daten abstützen können: Das sind die Erwartungen des Amts für soziale Institutionen der Stadt Chiasso an die MQI und das Programm NIP-Q-Upgrade. Von Anne-Marie Nicole Stellen Sie sich ein generationenübergreifendes Quartier im Herzen der Stadt Chiasso vor, die im Dreieck zwischen der Grenze zu Italien im Osten, der Bahnlinie im Süden und dem Fluss Breggia im Norden liegt. Es bietet Platz für 155 Menschen im Alter – in altersgerechten Wohnungen, Strukturen für Kurz- oder Langzeitaufenthalte oder spezialisierten Abteilungen in den Bereichen Palliativpflege und Betreuung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Ein Park und diverse öffentlich zugängliche Dienstleistungen fördern im Hinblick auf ein aktives Altern den sozialen Zusammenhalt und das Zusammenleben. All das ist allerdings noch Zukunftsmusik: Bis dieses Projekt der Gemeinde verwirklicht ist, dauert es noch sieben bis zehn Jahre. Im Moment verfügt das Amt für soziale Institutionen von Chiasso über zwei Tageszentren – eines mit therapeutischer Funktion und das andere mit einem Angebot an Freizeitaktivitäten – sowie über die zwei Pflegeheime Casa Soave und Casa Giardino mit insgesamt 139 Plätzen. Die beiden vor über 40 respektive 30 Jahren gebauten Heime werden teilweise abgerissen oder umgebaut und renoviert, damit das neue generationenübergreifende Quartier entstehen kann. Die Casa Soave war ursprünglich eine Institution für betreutes Wohnen und wurde im Laufe der Zeit zu einem Pflegeheim umfunktioniert. Das sechsstöckige Gebäude entspricht organisatorisch nicht mehr den aktuellen Normen, was die Arbeit der Fachteams erheblich erschwert. Auch beim Pflegeheim Casa Giardino drängt sich eine Verjüngungskur auf. Fabio Maestrini, Leiter des Amts für soziale Institutionen der Stadt Chiasso, ist überzeugt: Das zukünftige generationenübergreifende Quartier wird die Logistik der Betreuung von Menschen im Alter deutlich vereinfachen und damit auch die Versorgungsqualität verbessern. Das bedeutet jedoch nicht, dass die aktuelle Pflegequalität schlecht ist. «In gewissen Punkten können wir uns sicher noch verbessern, aber insgesamt arbeiten wir gut, würde ich sagen», betont Anna Tettamanti, Leiterin Pflege in den beiden Heimen. Im Hinblick auf die demnächst zu erwartende Publikation der medizinischen Qualitätsindikatoren zeigt sie sich in Bezug auf die vom Pflegeteam erbrachten Leistungen zuversichtlich. Schaffung von Qualitätsgruppen Im Kanton Tessin arbeiten die Pflegeheime und Spitex-­ Dienste bereits seit über 15 Jahren mit dem Pflegebedarfsinstrument Rai und dokumentieren weitgehend die gleichen Themen wie die aktuellen medizinischen Qualitätsindikatoren: Dekubitus, Stürze, Mangelernährung, bewegungseinschränkende Massnahmen und Medikation. Die seit 2019 obligatorische MQI-Erhebung ist für das Pflegepersonal zwar nichts Neues, erfordert jedoch mehr Zeit am Computer, und dies manchmal zulasten des Kontakts mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Andererseits bot diese gesetzliche Verpflichtung auch die Gelegenheit, das Bewusstsein für die Bedeutung der Pflegequalität zu wecken und interdisziplinäre Qualitätsgruppen zu schaffen, um mögliche Massnahmen und Handlungsansätze zur Verbesserung der erbrachten Leistungen zu erarbeiten. Heute gibt es deutlich mehr Raum für Überlegungen zur Berufspraxis und zu ihrer Kohärenz sowie zum Gleichgewicht zwischen der medizinischen Sicherheit und der Freiheit der Bewohnenden. Für Anna Tettamanti stellen die MQI ganz klar ein Instrument zur Verbesserung der internen Qualität dar. «Es sind wissenschaftliche Daten, die Pflegeteams können sich darauf abstützen und müssen sich nicht mehr ausschliesslich auf ihre eher subjektiven Beobachtungen und Empfindungen verlassen. Sie erlauben eine gründlichere Situationsanalyse in Bezug auf die Themen der Indikatoren.» Viel Arbeit geleistet wurde im Bereich der bewegungseinschränkenden Massnahmen. Laut Fabio Maestrini verzeichnete der Kanton Tessin in den letzten Jahren einen höheren Anteil solcher Massnahmen als der nationale

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