Die Qualität der Pflege weiterentwickeln Magazin ARTISET 12

ARTISET 12 I 2023 33 Aktuell Das Ziel des Projekts «Pflegekinder – next generation» ist klar: die Situation der Pflegekinder schweizweit verbessern und einheitlich regeln. Der Weg führt seit 2018 via ein Vorprojekt über diverse Studien und Anlässe für offene Dialoge. Soeben wurden die ersten Erkenntnisse präsentiert. Gestützt auf diese werden in den nächsten Jahren Massnahmen und Empfehlungen erarbeitet. Von Claudia Weiss Wird Projektleiterin Judith Bühler gefragt, warum das Projekt «Pflegekinder – next generation» überhaupt entstanden ist, überlegt sie nicht lange: «Ausgangslage und Bedarf waren völlig klar: Die Familienpflege ist ein sehr gutes Setting für viele Kinder und Jugendliche. Sie ist aber auch eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten.» Umso mehr gelte es, gut hinzuschauen: «Wir wollen nicht später sehen müssen, was man versäumt hat!» Denn wie gut es den Pflegekindern heute wirklich gehe, wisse man nicht: «Das wurde bisher nicht genau erforscht.» Diese Lücke wollte die Palatin-Stiftung schliessen und endlich wissen, was eigentlich Sache ist: Nicht nur wird die Anzahl von Pflegeverhältnissen von Kanton zu Kanton unterschiedlich erhoben, sondern auch die rechtlichen Regelungen, die Begleitung der Pflegefamilien und die Handhabung der Partizipierungsmöglichkeiten von Pflegekindern sind bis anhin uneinheitlich geregelt. «Die Situation ist lückenhaft und unsystematisch», fasst Judith Bühler zusammen. Zwar umschreibt beispielsweise Artikel 2 der Pflegekinderverordnung (PAVO) klar, welche Rechte Pflegekinder haben: «Die Kindesschutzbehörde sorgt dafür, dass das Kind, das in einer Pflegefamilie oder in einem Heim betreut wird a) über seine Rechte, insbesondere Verfahrensrechte, entsprechend seinem Alter aufgeklärt wird; b) eine Vertrauensperson zugewiesen erhält, an die es sich bei Fragen oder Problemen wenden kann; c) an allen Entscheidungen, die einen wesentlichen Einfluss auf sein Leben haben, entsprechend seinem Alter beteiligt wird.» Besonders die Punkte «Vertrauensperson» und «Beteiligung» würden aber in der Praxis je nach Kanton oder sogar nach Gemeinde völlig unterschiedlich interpretiert, erklärt Judith Bühler: Unklar sei beispielsweise bereits, ob Pflegefamilien generell sozialpädagogisch begleitet werden müssten. Oder auch, ob die genannte Vertrauensperson aus dem familiären Umfeld kommen dürfe, oder ob das eine Fachperson sein müsse. «Dass da eine Professionalisierung nottat, war in Fachkreisen völlig unbestritten.» Die Palatin-Stiftung, vom Verein Pflegekinder und Adoptivkinder Schweiz PA-CH um Stiftungsgelder angefragt, war deshalb rasch überzeugt: Sie sprach eine stattliche Summe und setzte Judith Bühler als Projektleiterin ein, um das Projekt zu planen und die damit verbundenen Prozesse zu leiten und zu bündeln. Bühler mit ihrem Hintergrund eignet sich gut für diese Position, sie berät unter anderem Institutionen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich, und sie hat praktische Erfahrung in der stationären Kinder- und Jugendhilfe wie auch Verwaltungserfahrung. Über Sprachgrenzen hinweg laufendes Projekt In einer ersten Phase «Planung» startete Judith Bühler 2018 gemeinsam mit der PA-CH und Integras (Fachverband Sozial- und Sonderpädagogik) ein Vorprojekt, analysierte, welches die dringlichsten Themen sind, und setzte die Schwerpunkte. Parallel dazu wurde eine Projektgruppe gegründet mit Fachleuten von Integras sowie der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES), dem Bundesamt für Sozialversicherungen BSV und drei Verantwortlichen der Stiftung Palatin. Als begleitender Experte wurde Klaus Wolf, emeritierter Professor von der Universität Siegen D, angefragt. «Von Anfang an stand fest, dass das Projekt über die Sprachgrenze hinaus laufen muss», erklärt Judith Bühler: «Am Ende soll ja etwas herauskommen, das diesen Flickenteppich zusammenfügt und für die Praxis schweizweit anwendbar ist.» Deshalb galt es, übergeordnete Ziele mit drei Hauptpunkten zu verfolgen: ■ Wissen und Handlungssicherheit in der Pflegekinderhilfe erweitern ■ Strukturen stärken, die den Pflegekindern uneingeschränkte Teilhabe ermöglichen und ihnen bestmöglichen Schutz gewähren ■ das Verständnis rund um Pflegeverhältnisse in der Gesellschaft verbessern. «Das sind hochgesteckte Ziele, und sie sollen im Projekt vor allem als Richtschnur dienen», sagt die Projektleiterin.

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