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kurz & knapp 32 ARTISET 12 I 2022 Das verlassene Kind Der deutsche Schriftsteller Peter Henning hat einen berührenden Roman über einen Mann, Henry Kaplan, geschrieben, dessen Schmerz über den Verlust der Mutter trotz einer Entfremdung nicht vergehen will. Die Mutter hat ihn ohne Angabe von Gründen verlassen, als er vier Jahre alt war. «Ich muss mal kurz weg!», hat sie noch gesagt, um nie wiederzukommen. Viele Jahre später ruft die Mutter den Sohn an ihr Sterbebett. Nur Apparate halten sie noch am Leben. Nun soll Henry entscheiden, ob die Mutter am Leben gehalten werden soll. Noch immer suchen den Sohn die Bilder aus dem Kinderheim heim: Albträume, Erinnerungen an Misshandlungen durch andere Kinder, die Hiebe der Heimleiterin mit dem Lineal auf den nackten Hintern. Vor allem die schmerzhaften Momente, wenn die anderen Kinder am Wochenende zu Tagesausflügen abgeholt wurden und er zurückblieb. Das Gefühl der Verlassenheit lastet noch immer auf ihm. Doch es ist auch die Geschichte einer zaghaften Annäherung, die Henning erzählt. Kann man die Zeit kommentarlos zurückdrehen? Das lebenslange Gefühl von Verlassenheit, die Enttäuschungen und Kränkungen beiseite schieben? Es ist ein vorsichtiges Herantasten, ob es nicht doch eine Verbindung zwischen Mutter und Sohn gibt. Peter Hennings Kunst liegt darin, diesen Fragen von existenzieller Wucht auf eine ganz leise, zarte Art zu begegnen. Trendumfrage Pflegeheime Die neueste Umfrage von «Qualis evaluation» zeigt, dass die Kaderpersonen und Qualitätsverantwortlichen in den Pflege- und Altersinstitutionen die Rekrutierung von genügend qualifiziertem Pflege- und Betreuungspersonal als grösste Herausforderung für die Zukunft ansehen. Diese Herausforderung sei in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, hält die Studie fest. Zudem habe der Kosten- und Zeitdruck zugenommen. Die «Zukunftsperspektiven für die eigene Institution in fünf Jahren insgesamt» werden von den Befragten gegenüber der letzten Umfrage 2015 als schlechter wahrgenommen. Zur Bewältigung der Covid-­ Krise gab die Hälfte an, ihre Institution sei «gut vorbereitet» gewesen, ein Drittel bezeichnete die Vorbereitungen als «eher schwach», und ein knappes Drittel gab an, man sei von der Pandemie nur «mittelmässig betroffen» gewesen. Insgesamt befanden nur 20 Prozent die Pandemie als grosse Herausforderung. Vor allem die Personalausfälle hätten die Arbeit erschwert. Sterbehilfe: Im Kanton Zürich dürfen Alters- und Pflegeheime weiterhin Sterbehilfe in ihren Einrichtungen verweigern. Dies hat der Kantonsrat beschlossen. Noch im Mai hatte der Rat den Zugang für Sterbehilfeorganisationen grundsätzlich für alle Heime verlangt. Invalidenrente: Eine Kürzung des von der Invalidenversicherung gewährten Assistenzbeitrags ist zulässig, wenn ein Begünstigter mit der Person zusammenzieht, die ihn unterstützt. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde der IV-Stelle des Kantons St. Gallen gutgeheissen. Kinderpsychiatrie: Der Kanton Zürich baut die Kinder- und Jugendpsychiatrie aus und reagiert damit auf die fehlenden Plätze. Kinder mit psychischen Problemen müssen teilweise monatelang auf eine Behandlung warten. Zwangsmassnahmen: Mit einer Plakat- und Infotafelkampagne will der Kanton Bern das Leid von Verding- und Heimkindern und administrativ Versorgten sichtbar machen. Peter Henning, «Bis du wieder gehst», Luchterhand, 192 Seiten, 32.50 Fr. kurz & knapp

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