Bedürfnisgerecht bauen

38 ARTISET 03 I 2023 Drittens: Bei der Pflege handelt es sich um eine Branche, bei der sich nur sehr begrenzt mit Rationalisierungen Personal einsparen lässt. Um den erforderlichen Bedarf an Pflegenden zu stemmen, braucht es mehr als nur Pflästerlipolitik? Leser: Es braucht ein Umdenken in der Gesellschaft. Die Gesellschaft muss den Wert der Pflege, vor allem der Langzeitpflege, erkennen. Wir müssen die Gesellschaft wachrütteln. Das System Politik hinkt der Gesellschaft hinterher. Wir müssen also zuerst die Gesellschaft bewegen, erst dann wird sich die Politik auf den Ebenen Bund, Kanton und Gemeinde bewegen. Höchli: Eine solche Sensibilisierung der Gesellschaft erachte auch ich für sehr wichtig. Wir reden über das fehlende Personal, schliesslich geht es aber darum, dass wir den vielen Menschen, die in den kommenden Jahrzenten auf Pflege und Betreuung angewiesen sein werden, ein Leben in Würde ermöglichen. Die Herausforderung besteht darin, dass wir für diese Menschen einen Rahmen schaffen, sodass es nicht Schritt für Schritt für Teile der Bevölkerung zu einer gewissen Verelendung kommt. Leser: Um diesen Rahmen zu schaffen, müssen wir auch über die engen Grenzen des KVG hinausdenken. Das KVG fokussiert ja einzig auf die medizinische Versorgung. Damit hochbetagte Menschen in Würde leben können, braucht es aber mehr als die rein medizinische Versorgung. Um zum Beispiel der Einsamkeit entgegenzuwirken, sind auch Strukturen in den Bereichen Begleitung und Betreuung gefragt. Höchli: Wir stehen vor einer umfassenden gesellschaftlichen Herausforderung. Vonseiten der Föderation Artiset und der Branchenverbände propagieren wir schon länger den Sozialraumansatz: Wir können die Unterstützungsaufgaben nicht einfach an Professionelle delegieren. Wir haben schlicht die Ressourcen nicht dafür. Es braucht das Mitwirken von Angehörigen und von Freiwilligen. Diese umfassenden Herausforderungen lassen sich allerdings mit der Pflegeinitiative respektive dem neuen Verfassungsartikel allein nicht lösen? Höchli: Es handelt sich um eine gesellschaftliche Frage, die über die Möglichkeit der gesetzlichen Regulierung hinausgeht. Die Pflegeinitiative kann aber im Bereich des erforderlichen Pflegepersonals einen Beitrag leisten, aber eben nur dann, wenn sie substanziell umgesetzt wird. Neben der Ausbildungsoffensive, die ja bereits beschlossen ist, müssen wir unbedingt sicherstellen, dass wir das ausgebildete Personal mit Aktuell «Ähnlich wie bei der Ausbildungsoffensive könnte der Bund über einen bestimmten Zeitraum hinweg einen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sprechen.» Daniel Höchli Artiset-Geschäftsführer Daniel Höchli engagiert sich für eine Anschubfinanzierung Fotos: esf

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