Soziale Unernehmen im Wandel | Magazin ARTISET | 9-2023

12 ARTISET 09 I 2023 Im Fokus Zugang zu neuen Möglichkeiten der Inklusion. Oder das, was wir über die Grundlagenwerk AG soeben gestartet haben: Inmitten der After Sales Logistik von Digitec Galaxus im aargauischen Dintikon betreiben wir seit Kurzem das Projekt Restwert. Sie integrieren damit einen Standort des vor einigen Jahren gegründeten Projekts zur beruflichen Integration direkt in einen grossen Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes? Genau. Das Projekt Restwert, das den kompletten Aufwand beim Verkauf gebrauchter Artikel auf einer Online-Handelsplattform übernimmt, ist damit erstmals direkt innerhalb eines Betriebes integriert. Unser Betriebsleiter ist zudem jemand, der vorher bei Digitec Galaxus gearbeitet hat. Wir verweben damit die Kompetenzen und Aufgaben so gut es geht, um die Schwelle zwischen dem vermeintlichen zweiten und ersten Arbeitsmarkt tatsächlich auf eine Türschwelle zu reduzieren. Die Personen können je nach Bedürfnis und Fähigkeit im Integrationsbetrieb arbeiten oder direkt im allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie mussten hierfür sicher einige Übersetzungsarbeit leisten? Digitec Galaxus hat, wie die meisten Firmen, begrenztes Know-how im Bereich der beruflichen Integration, aber ein hohes Interesse, einen Beitrag zur Inklusion zu leisten. Wir, als Sozialunternehmen, haben dieses Know-how, die Erfahrung, die regionale Vernetzung mit anderen Arbeitgebenden, mit Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen und mit den Sozialversicherungen. Diese Ressourcen sind über Jahrzehnte gewachsen. Daran müssen wir anknüpfen. Hier treffen zwei Disziplinen mit jeweils eigenem Erfahrungshintergrund aufeinander, und es geht darum, einander zu verstehen. Innovativ am Projekt Restwert ist ganz besonders auch, dass dieses mittels Social Franchising rasch und unkompliziert an vielen Standorten umgesetzt werden kann. Wie kam es dazu? Gestartet ist das Projekt Restwert 2016, als zunächst verworfene Idee in einer Schublade. Damals war ich noch Geschäftsleitungsmitglied in einer sozialen Institution im Raum Olten. In Gesprächen mit anderen Sozialtätigen ist mir aufgefallen, dass viele Institutionen die gleichen Fragen beschäftigen. Wir alle brauchen Betriebskonzepte, die eine realistische Arbeit ermöglichen, um Menschen zu qualifizieren. Zudem müssen diese Konzepte rentabel sein, auch innerhalb des wandelnden Sozialversicherungsmechanismus. Und sie müssen relevant sein, um eine sinnvolle Arbeit zu ermöglichen. Und weshalb haben Sie gerade das Social-Franchising-Konzept gewählt? Mein Ziel war es nicht, einfach ein weiteres Start-up zu gründen, sondern ein Konzept zu entwickeln, das auch andere brauchen können. Wir haben ja, wie gesagt, alle die gleichen Fragen und Probleme. Das Projekt Restwert war deshalb von Anfang so ausgerichtet, dass man es einfach kopieren kann. Es ist auf einen regionalen Wirkungskreis ausgerichtet. Alle Prozesse sind allgemein gehalten, sodass die Institutionen diese auf ihre eigene Art interpretieren können. Wir haben das Konzept während mehrerer Jahre getestet und immer wieder Anpassungen vorgenommen, bis es wirklich funktioniert hat. Wie kam es 2018 zur Gründung der Grundlagenwerk AG? Wir brauchten eine Rechtsform, um die Multiplikation des Konzepts zu koordinieren, ohne dass ein Machtgefälle entsteht. Wir haben deshalb den Standort von Projekt Restwert in Wangen an die Institution Zugpferd GmbH auf unserem Gelände weitergegeben und das Grundlagenwerk gegründet. Dieses ist in der Integration nicht operativ tätig, sondern vergibt die Lizenzen und ist zuständig für die fortlaufende Aktualisierung des Konzepts. Mittlerweile haben Institutionen aus der ganzen Schweiz über 20 solcher Betriebe erfolgreich aufgebaut. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg? So gut sind wir vermutlich auch wieder nicht, und ich fürchte, unser Erfolg ist auch ein Hinweis darauf, wie gross das Vakuum im Bereich markttauglicher Betriebskonzepte ist. Die Branche verbessert sich aber laufend. Trotzdem denke ich, sind wir ein gutes Beispiel dafür, was funktionieren könnte, wenn verschiedene Disziplinen in einen Dialog treten: An der Entwicklung des Betriebskonzeptes war nebst Vertretenden der Sozialversicherungen und des Arbeitsmarktes auch eine betroffene Person aus einer beruflichen Massnahme beteiligt, welche später die Betriebsleitung innehatte. «Wir brauchen auch neue Formen von Dienstleistungen und neue Betriebskonzepte, die von einer inklusiven Gesamtgesellschaft abgeleitet sind und von allen Menschen aktiv mitgestaltet werden.» Beni Brennwald

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