Soziale Unernehmen im Wandel | Magazin ARTISET | 9-2023

ARTISET 09 I 2023 15 Im Fokus «Willkommen in einem einzigartigen Hotel!» Zwei Drittel der Belegschaft des Martigny Boutique-Hotels im Wallis sind Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Sie arbeiten im Service, in der Küche und in der Verwaltung. Hinter dieser Integrationsinitiative steht die Walliser «Fondation valaisanne en faveur des personnes avec une déficience intellectuelle», die sich insbesondere in arbeitsagogischer Begleitung engagiert. Von Anne Marie Nicole «Lassen wir uns im Restaurant von Menschen mit Behinderung bedienen?», wunderte sich jüngst Peter Saxenhofer, Geschäftsführer des Branchenverbands Insos, über die Bedeutung, die wir als Gesellschaft der Integration von Menschen mit Behinderung beimessen. Im Martigny Boutique-Hotel, wo zwei Drittel der Mitarbeitenden Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung sind, stellt sich diese Frage nicht. An der Rezeption begrüsst das Team die Gäste, welche zum ersten Mal im Walliser Hotel verweilen, mit einem fröhlichen «Willkommen in einem einzigartigen Schweizer Hotel!», bevor es ihnen die Besonderheiten dieses Orts erklärt. Das Restaurant La Cordillère besuchen vorwiegend einheimische Geschäftsleute. Sie kommen aus Neugier, Solidarität oder auch aus Bequemlichkeit. Es komme vor, dass Gäste ungeduldig, fordernd und schroff reagierten, bemerkt Raphaël, der seit der Eröffnung des Hotels vor acht Jahren im Service tätig ist. Er ergänzt jedoch sofort, die meisten Leute seien angenehm und wohlwollend. Derselben Meinung ist auch seine Kollegin Claire-Lise. Sie gehört ebenfalls zum Servicepersonal der Bar und des Restaurants und entdeckte diesen Beruf vor drei Jahren. «Der Kontakt mit den Menschen gefällt mir.» Und das sei gut so, denn an diesem Morgen seien viele Gäste beim Frühstück da gewesen, erzählt sie. Inzwischen ist es wieder ruhiger geworden. Während die junge Frau das Frühstücksbuffet abräumt, beschäftigt sich ihre Kollegin Mégane in der Küche unter dem wachsamen Auge des Arbeitsagogen Pascal bereits mit den Käseplatten für das morgige Frühstück. Mégane absolvierte eine von der Westschweizer Organisation für berufliche Eingliederung und Ausbildung (Orif) angebotene Ausbildung in der Küche. Sie versuchte es auch im Service, bevorzugt aber klar die Atmosphäre in der Küche und das Vorbereiten der kalten Buffets für die Vorspeisen und Desserts. Vielfältige Strukturen Das Martigny Boutique-Hotel ist ein Pionierprojekt für soziale Integration und eine Initiative der Fondation valaisanne en faveur des personnes avec une déficience intellectuelle (FOVAHM). Die Stiftung ist seit über einem halben Jahrhundert im französischsprachigen Wallis tätig, wo sie mehr als 400 Personen ab 18 Jahren aufnimmt, betreut und ausbildet. Ihr beruflicher und sozialer Bereich zeichnet sich durch seine vielfältigen Strukturen aus: ein Ausbildungszentrum für junge Erwachsene, 21 geschützte Werkstätten, 14 integrierte Werkstätten in Walliser Betrieben (Gruppenintegration), 8 Tageszentren und arbeitsagogische Unterstützungsmassnahmen in Betrieben (Einzelintegration). «Menschen mit Behinderung verfügen über Fähigkeiten», Mégane bereitet unter den wachsamen Augen des Arbeitsagogen Pascal die Käseplatten für das Frühstück am nächsten Tag vor. Foto: amn

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