Die Qualität der Pflege weiterentwickeln Magazin ARTISET 12

ARTISET 12 I 2023 9 Zahlen zu den Dekubitus-Fällen, zu Stürzen und bewegungseinschränkenden Massnahmen. Zudem rapportieren die Heime der Behörde die Pflegestufen der Bewohnenden und allfällige Beschwerden von Angehörigen. Im Blick hat das Alterszentrum Ried auch alle sechs nationalen Qualitätsindikatoren zu den vier Messthemen Mangelernährung, bewegungseinschränkende Massnahmen, Polymedikation und Schmerz. Zu den beiden letztgenannten Indikatoren sagt die Pflegedienstleiterin: «Die Medikamentenüberwachung und die Schmerzeinschätzung bei unseren Bewohnerinnen und Bewohnern gehörten schon immer zu unseren Qualitätsstandards.» Und zwar mithilfe von Instrumenten und Skalen, die auch der kognitiven Leistungsfähigkeit der Bewohnenden Rechnung tragen. Sinn eines Vergleichs zwischen den Heimen Am Nutzen der nationalen medizinischen Qualitätsindikatoren für das Alterszentrum Ried hegen die beiden Leiterinnen aber so ihre Zweifel. Ihr erster Gedanke ist, dass die Indikatoren «uns persönlich nicht viel» bringen, weil das Heim diese Werte intern bereits seit längerer Zeit in einem Monitoring erfasst. Vor allem hinterfragen sie den mit der gelanten Veröffentlichung der Indikatoren einhergehenden Vergleich zwischen den Heimen. So meint Angela Rebetez: «Muss ich mich nur verbessern, weil ich im Vergleich zu den anderen ein schlechteres Resultat erziele? Sollte ich mich nicht eher verbessern, sobald ich von einem Problem Kenntnis habe?» Die Geschäftsleiterin gesteht jedoch ein, dass die nationale Erhebung zu einer gewissen Sensibilisierung geführt habe. Sandra Debboub bestätigt dies. Sobald die Datenblätter der Indikatoren zur Verfügung gestanden sind, informierte sie das Personal und initiierte anschliessend Gruppenarbeiten mit den Pflegefachpersonen zwecks Definition von Qualitätsstandards für jeden Indikator. «Dies ermöglichte uns, das Personal für die Beurteilungskriterien der Pflegequalität zu sensibilisieren, gewisse Verfahren wie zum Beispiel für die Beurteilung von Mangelernährung zu überdenken und anzupassen.» Die Realität vor Ort berücksichtigen Sandra Debboub bedauert indes, dass sich die nationalen Indikatoren lediglich auf die Pflege beziehen, da das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner auf interdisziplinärer Teamarbeit beruhen. Auch um über diese Praxisrealität berichten zu können, schloss sie sich der Westschweizer Regionalgruppe des nationalen Implementierungsprogramms – Qualität der Langzeitpflege in Alters- und Pflegeheimen (NIP-Q-Upgrade) an, dessen Hauptziel die Unterstützung der Institutionen bei der datenbasierten Verbesserung ihrer Versorgungsqualität ist (siehe dazu auch Seite 26). Sandra Debboub und Angela Rebetez erachten es für zentral, den Programmverantwortlichen die Realität im Pflegealltag aufzuzeigen. «Im Rahmen solcher Projekte gibt es immer wieder Expertinnen und Experten, die zu weit von der Realität entfernt sind und denen das Bewusstsein fehlt, was wir im Alltag machen», bedauert Angela Rebetez. Sandra Debboub stellt durchaus befriedigt fest, dass sie den am Programm NIP-Q-Upgrade beteiligten Forschenden der Haute École de la Santé La Source in Lausanne an einer ersten Sitzung die Alltagsrealität erläutern und ihre Bedürfnisse mitteilen konnte. Als gewinnbringend erachtet sie im Rahmen des Programms insbesondere den Austausch mit anderen Pflegeheimen. Dabei geht es etwa darum, welche Erfahrungen andere Heime mit der Erhebung der Daten für die Indikatoren machen und mit welchen Massnahmen sie ihre Pflegequalität verbessern. Sichtbar werden durch den kantonsübergreifenden Austausch, so Sandra Debboub, gerade auch die Unterschiede zwischen den Kantonen. Es gebe in der Pflege vielfältige Praktiken und Organisationsmöglichkeiten. «Mich überraschen aber vor allem die ungleichen Mittel. Einige Kantone verfügen über finanzielle Mittel und Fachkräfte, an die wir nicht annähernd herankommen. Wie soll man unter diesen Bedingungen Vergleiche ziehen können?» Zudem hinterfragt sie die fehlende Harmonisierung der verschiedenen Systeme zur Abklärung des Pflegebedarfs. Die Antworten auf solche Fragen dürften nicht ganz einfach sein. Im Moment sind die Mitglieder der Westschweizer Regionalgruppe dazu eingeladen, ihre Überlegungen weiterzuführen und ihre Anmerkungen – bis zur nächsten Sitzung – per Mail zu kommunizieren. «Einige Kantone verfügen über finanzielle Mittel und Fachkräfte, an die wir nicht annähernd herankommen. Wie soll man unter diesen Bedingungen Vergleiche ziehen können?» Sandra Debboub

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY2MjQyMg==